Weihnachten 2015

Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR.

Und es sollen zu der Zeit viele Völker sich zum HERRN wenden und sollen mein Volk sein, und ich will bei dir wohnen. – Und du sollst erkennen, dass mich der HERR Zebaoth zu dir gesandt hat. –

Und der HERR wird Juda in Besitz nehmen als sein Erbteil in dem heiligen Lande und wird Jerusalem wieder erwählen. 

Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!

Sacharja 2,14-17

Liebe Gemeinde dieser Hl. Weihnacht,

der Braten ist gegessen, die Geschenke sind geöffnet, gefühlt scheint der Höhepunkt des Festes schon überschritten und doch fehlt etwas. Die Gespräche mit den Lieben klingen ab, Manches hängt noch nach, es war wieder bewegend und nun mündet all das Erlebte in die Geschichte und Deutung dieses Festes ein. Wir kommen zur Ruhe und erinnern uns der Jahrtausende alten Sehnsucht, die uns mit dem Volk Israel eint: das Gott Wohnung in unserer Mitte nehme.  Und wir machen uns dafür auf aus unseren Häusern in dieses Haus hier, das vor 300 Jahren in die Mitte Brunsbüttels gebaut wurde, um sich der Nähe Gottes gewiss zu sein. Es ist gut, dass wir in dieser Nacht, mit unserer manchmal vielleicht unbestimmten Sehnsucht in diese Kirche kommen; wohin denn auch sonst?

Die Sehnsucht, die Weihnachten zu so einem besonderen Fest macht, ist schwer zu fassen. Es schwingen darin Bilder aus unserer Kindheit mit, Geschichten, Gerüche, Vertrautheiten und Harmonien, Unbeschwertheit, Kleinigkeiten vermochten uns große Augen zu schenken. Und auch wenn es damals sicher auch mal Krach gab: Weihnachten bleibt für uns das Fest kindlichen Friedens und beschenkten Glückes. Und wir gehen besonders gerne in dieser Nacht zur Kirche, um unsere Freude von damals wieder etwas einzufangen und um das größte Geschenk zu suchen: Ruhe und Frieden.

Liebe Gemeinde,

wir suchen nicht allein. Seit 2500 Jahren dauert schon diese Suche von Juden und Christen. Für den Propheten Sacharia wurde sein Verlangen nach dem „Gott mit uns“ und nach einer Ordnung in Frieden und Gerechtigkeit konkret mit der Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft. 58 Jahre waren die Priesteraristokratie wozu auch Sacharia gehörte, die regierende Oberschicht, alle Führungskräfte, Beamte, Lehrer mitsamt deren Familien ihrer Heimat beraubt und lebten in einer fremden Kultur. Die Erinnerung an den Berg Zion, wie Jerusalem hieß, bevor David ihn eroberte begann im Exil langsam zu verblassen. Nach der Eroberung Babylons durch die Perser kam dann, recht unerwartet die Rückkehr der Gefangenen nach Israel, nach Jerusalem, dem Berg Zion, dem Zentrum der eigenen spirituellen und nationalen Identität, bis heute.

Die Worte des Propheten Sacharia, die wir heute Abend gehört haben fallen genau in die Zeit der Rückkehr auf den Zion: freut euch und seid fröhlich, Söhne und Töchter Zions. Wir leben wieder an der heiligsten Stätte Gottes.

Freut euch liebe Weihnachtsbegeisterten, freut euch, auch hier in Brunsbüttel ist Gott uns unendlich nahe. Gott kommt und will bei uns wohnen. Seit seiner ersten Geburt in Bethlehem in Judäa gehören auch wir zu den Erlösten. Und der Ort, wo er den Menschen nahe ist nicht mehr nur Jerusalem, der Ort des Tempelberges, sondern eines jeden Menschen Herz. Jeder von uns ist eine heilige Stätte. Schwer vorzustellen…die verwinkelten Orte der Kathedrale meiner Seele ein Wohnort Gottes?

Sacharia beschreibt uns so unseren Gott. In der alten Zeit hatte er keinen Namen. Jede Projektion war unvollständig und schemenhaft, so war Gott einzig der „Ich bin da“ Kein Name vermag ihn auszudrücken. Sacharia gibt ihm aber das Adjektiv Zebaoth. Zebaoth heißt so viel wie himmlisch/ kosmisch. Gott ist unbeschreibbare Energie. Schauen sie einfach mal nachts in den Sternenhimmel. Die Energie des Universums, die Urbewegung, die Möglichkeit alles Neuen, das ist Gott Zebaoth.

Und diese Dimension des Lebens und der Schöpferkraft hat Wohnung genommen in uns. Immer mehr Menschen behaupten es gäbe keinen Gott und Religion nehme ihnen ihre Freiheit. Vielleicht verbirgt sich bei Vielen dahinter aber nur ein bedrohliches Gottesbild aus düsteren Zeiten mit dem sie berechtigterweise nichts zu tun haben wollen. Dabei ist Gott nichts anderes als alle in uns ruhenden Möglichkeiten.

Unsere Gestaltungsenergie, die Kraft unserer Traumbilder, die alle Mauern des Denkens und Fühlens überwindende Magie der Liebe wohnt in uns. Seit der ersten Geburt Gottes als Mensch ist jeder von uns ein Mosaiksteinchen im unendlichen Abbild des alles bewegenden Gottes. Und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.

Sacharia erwartete den Frieden der Welt noch ausgehend vom Berg Zion. Seit der ersten Weihnacht bekennen Christen, dass Gott nicht in einem Tempel aus Steinen wohnt, sondern  in Tempeln aus Fleisch und Blut. Das Wort ist Fleisch geworden.

Wir alle warten auf den Frieden der Welt. Dieses Jahr vielleicht bewusster als seit langem. Es soll Frieden werden, der schon ist, Frieden, der in uns wohnt, seit Gott Mensch geworden ist.

Wir suchen an Weihnachten Herzenswärme und friedensstrahlende Geborgenheit. Wie der Prophet Sacharia vor 2500 Jahren versuchen wir diese Suche mit einem Ort zu konkretisieren, mit dem Haus Gottes. Das ist auch gut so, aber Gott hat sich und das ist das Geheimnis der Weihnacht, kein anderes Haus erwählt als das manchmal unaufgeräumte, renovierungsbedürftige, trotz Reichtums ärmliche Haus meines Selbst. Hier in dieser unzulänglichen Gestalt der Futterkrippe, die jeder von uns ist, ist Gottes Kind geboren.

Liebe Gemeinde,

wir beschließen und feiern diesen Abend mit Gebet und Gesang und erahnen den Geist der Weihnacht, sein wahres Mysterium: Gott wohnt in mir und die Sehnsucht nach Ruhe und Frieden eint uns alle, weil die Möglichkeit dazu eine uns allen bereits innewohnende Gabe ist.  Doch warum nur fällt es uns so schwer diesen Frieden zu erspüren, zu stiften und zu bewahren?

Was ringt ihn in uns immer wieder nieder?  Was ist so stark und überlagernd, dass uns der so unendlich nahe Frieden manchmal unerreichbar weit weg scheint?

Ich glaube, es ist der Lärm und die Unruhe der Welt. Die Möglichkeit zu permanenter Veränderung wird belobigt. Das Immer unterwegs sein heißt es sei erstrebenswert und durchsetzen kann wer viel Lärm um Nichts macht. In der Antike galt noch Seelenruhe als das Ideal. Seit der Neuzeit ist es der Fortschritt. Und was ist nicht alles auf diesem Altar menschlichen Geistes geopfert worden. Der  Mensch meint, es sei dazu bestimmt, dabei begeht er den Irrtum, die eigene Spezies als dazu berechtigt anzusehen.

Der biblische Schöpfungsbericht endet aber nicht mit dem Menschen. Nicht er schreibt Erlösungsgeschichte fort. Die Schöpfung vollendet sich in der Ruhe. Das Eintreten Gottes in unsere Welt ist ein Akt der Vollendung und die vollzieht sich in der Ruhe des 7. Tages. Die Weihnachtsbotschaft des Propheten Sacharia endet mit der Aufforderung: seid stille vor dem Herrn.

Und liebe Gemeinde, wie sollte ich dem Wunder Gottes in mir auch anders begegnen, als in einem tiefen Schweigen und einem ehrfürchtigen Verstummen vor dieser Großartigkeit? Überall dort, wo die Welt wieder das Schweigen übt und Stille sich ausbreitet verteilt sich auch der Frieden Gottes wie der Same einer Pusteblume durch den Hauch meines Atems. Suchen wir den Frieden Gottes benötigen wir wieder eine Haltung des „Aufnehmens“, des inneren Hinhörens, des sich eins Machen mit den verschwebenen Bewegungen des Kosmos.

Lasst uns üben wieder stille zu werden vor dem Herrn bevor unsere Kultur weiter verlernt, Gott wahrzunehmen.

Stille Nacht heilige Nacht eben nicht nur heute bitte. Frieden braucht eine Abkehr von der Unruhe der Welt, hin zu einem dauerhaften Glück in Ruhe.

Nur so erspüren wir, dass Gott in unserer Mitte wohnt.

Nur so wird Frieden werden in unseren Tagen.

AMEN

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