Predigt zum Sonntag Invocavit 

Die Antworten des Glaubens auf die Begegnungen mit dem ewigen Versucher

Zum Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu führt ihn der Geist – die in Authentizität wirkende Intuition bzw. sein Einssein mit „Dem Unaussprechlichen“ – in die Wüste. Die kirchliche Tradition ortet dieses Geschehen in die Gegend zwischen Jerusalem und Jericho nördlich des Wadi Quelt. Die Beduinenstämme erzählen sich noch heute, dass die Wüste ein Ort der Wahrheit sei. In ihrer mitleidlosen Lebensfeindlichkeit zwingt sie zu besonderer Anstrengung. Wüste hat keinerlei Schnörkel, keinerlei Überfluss, keinerlei Dekoration. Vielmehr Stille, Abgeschiedenheit und Konzentration auf das Lebensnotwendige. In der Wüste gilt nur, was wirklich stimmt. Daher klärt Jesus genau hier, woraus der Menschensohn im Eigentlichen nur leben kann.

Jesus so die Versuchung, könne den Menschen das bringen, was sie am meisten brauchen: Brot

Wie sieht die Antwort der Religion aus angesichts des Hungerelends im Jemen, im Sudan, im Tschad, im nördlichen Kenia und Somalia. Wenn der Unaussprechliche denn Gott wäre, warum sättigt er nicht den Hunger?

Erdbeben, Dürre, Überschwemmungen – der Mensch kämpft gegen den Menschen ums Überleben. Materieller Mangel macht uns Menschen zu Bestien mit ausgefeilten Kampftechniken. Wir kämpfen um Rohstoffe und Absatzmärkte. Schon bald werden wir Krieg führen um Trinkwasser. Menschliches Verhalten ähnelt Fischen die im Teich um Häppchen schnappen im Wissen, sie werden nie ausreichen. Der Mensch sei eine bleibend geschundene und hilflose Kreatur und Erlösung hieße Mitleid und göttliches Erbarmen bedeute Brot für alle – eine teuflische Versuchung so zu denken.

Ja natürlich geht es um den Menschen und um das, was er am meisten braucht. Aber des Menschen Lebenssinn besteht nicht darin, sein Dasein mit unendlichen Mühen äußerlich zu erhalten. Eine solche materialistische Reduktion des Menschlichen lindert nur Symptome unseres Daseins. Der Hunger nach Brot ist immer nur in Zyklen zu stillen und bleibt bestehen. Alles was die Erde bietet ist daher nur Stein, der niemals sättigt. Es ist eine Lüge, die Produkte der Erde als das Eigentliche zu verkaufen. Alles Stein kann niemals zu Brot werden. Äußerliches, Vordergründiges, Unbefriedigendes, wird niemals wirklich sättigen. Jesus erspürt, dass Kind Gottes sein bedeutet, auf diesen Betrug nicht hereinzufallen. Kind Gottes sein bedeutet vielmehr, daran zu erinnern dass Gott mich meint, mit mir spricht, dass ich erfüllt bin und nicht mein Dasein friste, sondern die Grenzen alles Irdischen zu überschreiten vermag.

Meine Lieben, der Hunger ist nur eine Leidenschaft. Eine ebenso permanente teuflische Versuchung ist das Streben nach Macht – das Verlangen oben sein zu wollen – Verdrängungskonkurrenz -immer auf Kosten anderer. Ich versuche mich groß zu machen indem ich andere klein mache.  

Jesus mit Macht auszustatten – das wäre doch Bestens. Ein Geschäft mit dem Teufel – Jesus würde ja alles zum Guten richten. Ich nehme die Schuld der Macht auf mich und verbessere die ganze Welt. Ich setze mit Macht das Gute durch.                                                                                                                                                   Das Böse besiegen mit den Mitteln der Macht – welch teuflische Versuchung. Wir bräuchten nur den richtigen Krieg für die richtige Sache führen oder wie es Albert Camus schrieb: die Unschuld sitzt auf der Anklagebank, weil sie zu wenig getötet hat.                                                                                                                                            Macht bleibt immer im Teufelskreis zu Ohnmacht, Hoch im Teufelskreis zu Niedrig, Überlegenheit zu Unterlegenheit. Wer nicht allein auf die Macht Gottes setzt wird immer in den Kreisen des Teufels bleiben und anbeten. Dies hat Jesus in seiner Wüstenzeit erkannt und angenommen. Und wird deswegen auch als zentrale Botschaft den Anbruch des Reiches Gottes verkünden. Die wahre Freiheit des Menschen erwächst einzig aus der Überzeugung, dass der Unaussprechliche allein die Macht besitzt; und alle Würde, alle Größe auch des schwächsten und bedürftigsten Menschen, hängt daran, dass Gott ihn gewollt hat und dem Unaussprechlichen würde etwas fehlen, wenn es gerade auch diesen Einen nicht gäbe. Nur in Gott ist es möglich, eine Freiheit zu finden, an welcher jeder äußeren Macht ein Ende gesetzt wird. Nicht der Sturz von Putin, Kim Jon Un oder Assad, wird uns erlösen. Dafür aber ein Bewusstsein davon, dass der Mensch mehr ist als Geschichte und mehr als deren Produkt, sondern dass wir uns verantworten müssen vor einem Absoluten. Wir sollten den Glauben dran geben, Menschen sollten über Menschen herrschen. Frei werden wir erst sein, in der Erkenntnis, dass wir uns Gott zu verantworten haben. Und ja genau: das ist Verkündigungsauftrag von Religion! Es gibt nur eine Macht, die den Menschen vor der Versklavung durch den Menschen retten kann: die Macht Gottes. Er, der ohne Namen ist, weil er unendlich viele Namen trägt, darin unaussprechlich, der unbegrenzte Allerlöser. Ihn anzubeten ist die wahre Freiheit des Menschen. Eine andere gibt es nicht. Jesus wird seit seinen Tagen in der Wüste nicht müde den Anbruch der Königsherrschaft des Himmels zu verkünden, einer Macht, die den Menschen in den Bann nimmt durch den Zauber der Güte, durch die Faszination der Liebe und den Trost der Vergebung. Es ist der absolute Gegenentwurf zu den Reichen in den Händen des Teufels, die meinen mit Mitteln des Krieges dem Frieden, mit Gewalt der Freiheit und mit Zerstörung dem Leben zu dienen.

Bleibt aber die Frage: ist auf den Unaussprechlichen Verlass? Wo wird seine Macht denn greifbar? Wie kann ich mich jemanden überlassen, der sich so wenig zeigt? 

Deswegen ist der Ort dieser Versuchung der Tempel in Jerusalem, der Mittelpunkt des Glaubens. Worin liegt die teuflische Versuchung der Religion?

Ganz klar: in Vertröstung

Natürlich besteht der Glaube Jesu in der 100%gen Gewissheit dass er nie tiefer stürzen kann, als wie Gottes Hand ihn aufzufangen mag. Aber dieser Glaube ist nicht abzuleiten in formelhaften Besitzansprüchen aufgesagt in Gebeten oder Lehrsätzen. Ja Gott trägt mich. Seine Hand birgt mich. Ich kann mich fallen lassen, wenn ich mit Gott verschmelze so tief wie in einem partnerschaftlichen Orgasmus. Richtig, Fallträume haben tiefenpsychologisch genau diesen und keinen anderen Deutungsrahmen. Der eigentliche Schutz Gottes ist seine bodenlose Liebe, wie ich sie fühle in seiner Berührung meiner Seele. Es braucht keiner äußeren Demonstration, es braucht nur gefühlte Leidenschaft. 

In der Kirche Santa Maria della Vittoria in Rom gibt es ein bemerkenswertes Kunstwerk von Bernini dass genau diese Beziehung des Menschen zu Gott darstellt: die Verzückung der Hl. Theresa. Der Gesichtsausdruck der Heiligen im Moment des Auftreffens des Liebespfeiles bezeichnet einmalig die vertrauende, sich fallenlassende, orgiastische Liebe. 

Es ist eine teuflische Versuchung, glauben zu wollen, es gäbe religiös abgesichert eine Leid/ Not Beseitigungsgarantie. So ist eben nicht Gottesliebe. Rettung aus Leid, so weiß Jesus und lehrt es uns, ist nicht der Prüfstein der Existenz Gottes. Denn für den Unaussprechlichen ist unser Unglück kein Unglück; unser Glück auch kein Glück. Was für ihn allein von Bedeutung ist, ist ein Vertrauen, das ganz und gar aus sich hingebender Liebe stammt, jenseits aller Festlegungen und Beweise.

Meine Lieben, Jesus wiedersteht den Versuchungen und Bestätigt seinen Glauben im Tod mit seinem letzten Satz: „Vater in deine Hände lege ich meinen Geist“

Wir beten gleich gemeinsam das Vater Unser. Übrigens höchstwahrscheinlich eine Kurzform des jüdischen Kaddish des Totengebetes, welches zur gleichen Zeit zum ersten Mal überliefert wird, wie Das Vater Unser Einzug in die Evangelien nahm. Dort beten wir auf deutsch: und führe uns nicht in Versuchung. Diese Übersetzung kommt aus dem Lateinischen, welche wiederum aus dem Griechischen stammt. Der Originaltext lässt andere Übersetzungen zu. Und theologisch darf auch gefragt werden, wie wir darauf kommen, Gott würde uns in Versuchung führen. Auf Anregung Papst Franziskus`ist der Text mittlerweile in Italien und auch in Frankreich geändert worden. Im Italienischen heißt es nun: überlass uns nicht der Versuchung, im französischen: lass uns nicht in Versuchung geraten. Der Vorschlag einer deutschen Theologin zu beten: und führe uns in der Versuchung ist ökumenisch noch nicht ausdiskutiert. Überlegungen hierzu halte ich persönlich aber für sinnvoll. Gott führt nicht in Versuchung. Er allein ist die Antwort auf unsere Begegnungen mit dem ewigen Versucher.                    

 AMEN

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