Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. 1. Mose 12,2
Kann erlebter Segen eigentlich Abschied nehmen, gar verloren gehen?
Liebe Gemeinde, lieber Ingo Pohl, lieber Pastor!
Dass Abschiede zum Leben gehören, das ist eine Binsenweisheit, die wir solange mit einem beiläufigen JaJa abnicken, bis ein Abschied uns selbst betrifft, bis die eigene Seele erschrocken einen Verlust erspürt, bis eine gewohnte geliebte Person nicht mehr zu sehen und nicht mehr zu hören und nicht mehr zu sprechen sein wird. Abschied heißt, dass einer dann woanders ist.
Abschiede muten uns bekannte Gefühle zu wie Trauer, Bedauern, Angst, auch Ärger, Leere, oder oft sogar eine größere Wertschätzung als je zuvor. Man merkt erst so richtig, was man an einem hatte, wenn man ihn nicht mehr hat. Und manche der größten Liebesbekundungen geschehen im Abschied. Das ist dann der Nektar, die Süße inmitten im Bitteren.
Abschiede sind übrigens echt nicht leicht zu leben, sie tun nicht nur weh, sondern sie entzweien auch deshalb, weil der Gehende gedanklich schon woanders ist als die bleibenden. Die bleibenden bleiben in ihrer Welt und verlieren ein Teil ihrer Welt, der gehende gewinnt eine Neue.
Man ist also im Abschied in unterschiedlichen Welten unterwegs, wobei längst nicht ausgemacht ist, dass die neue Welt, die der Gehende gewinnt, immer auch die Bessere ist.
Ein Abschied tut übrigens auch deshalb immer weh, ist deshalb immer tiefste Anfechtung, weil er uns klarmacht, dass es Beständigkeit in unserem Leben einfach nicht gibt. Wir sehnen uns nach
Kontinuität, festen Orten, festen Beziehungen, aber wir sind Durchreisende, Wanderer nach irgendwo anders hin, uns ist dieses Leben nur geliehen, und diese Ur-Wahrheit kommt uns bedrohlich nahe, drängelt sich frech in unser Bewusstsein, wenn wir von einem geliebten Menschen Abschied nehmen. Abschied und Sterben sind miteinander verwandt.
So, Ingo Pohl, und um es uns seelisch etwas zu erleichtern, will ich mal versuchen, unseren Abschied voneinander etwas zu sortieren. Drei kleine Kapitel brauche ich dazu, und die heißen Rückblick, Dank und Wünsche. Und jedem der drei Kapitel möchte ich ein kleines Resümee in Sachen Segen anfügen.
Ich will Dich segnen und Du sollst ein Segen sein, spricht Gott. In Deinem Einführungsgottesdienst haben wir uns von dieser Verheißung tragen lassen, und mit dieser Verheißung haben wir Dich auf die Brunsbütteler losgelassen.
- Rückblick
Deine Brunsbütteler Zeit umfasste viereinhalb Jahre. Ganz grob ein Zehntel Deiner Lebenszeit hast Du mit uns geteilt, das ist wenig. Und es war viel. Du kamst mit einer sehr speziellen Geschichte, bis als Mensch mit pastoraler Statur hier zum evangelischen Pastor geworden. Du kamst ganz nebenbei so wie Du bist, laut, beziehungsfreudig, ein dauerhaft unruhiger Geist, auch ein dauerhaft unzufriedener, ein Bündel von Energie für das Reich Gottes, ein echter Ackerer, kirchliche Rampensau und so unglaublich zugewandter Seelsorger, Herzeneroberer an vielen vielen Stellen, spürbar frischen Wind hast Du an die hier schon windige Westküste gebracht. Du kamst als Gemeindesammler und als Gemeindebinder, also klassisch als Hirte, Pastor auf lat., Gottesdienstfeierer, und vieles von dem, was ich hier schildere, war echt ansteckend. Auch anstrengend. Und es war ein Segen, Du warst ein Segen, und diese nur viereinhalb Jahre waren hochintensiv. Vielleicht war es typische erste Liebe, sicher war es so, weil Ingo Pohl nicht anders kann, als so zu leben, zu glauben, so Pastor zu sein. Ich glaube, dass die Gemeinde mehr als viereinhalb Jahre braucht, um Dich zu vergessen.
Wirken und Erinnerung ist ja wie ein Baum, Wurzel und Krone sind gleich groß, und unsere Seele hat einen wohl noch so lange bei sich, wie er zuvor bei einem war. Und den Ingo werden wir vielleicht noch länger im Gedächtnis behalten und das wird ihn heimlich ungemein freuen. Und er wird Brunsbüttel übrigens auch nie vergessen, wie es so ist mit der ersten Liebe, auch mit der ersten evangelisch-pastoralen. Viereinhalb Jahr – ein Segen.
- Dank
Ingo Pohl, wir danken Dir für Dein Dasein in diesen viereinhalb Jahren. Deine Prägung, Dein Dich-Verausgaben, Deine Unruhe tat gut, Deine Lautstärke machte wach, Dein Einsatz für das Reich Gottes orientierte diese Kirchengemeinde und sagte ihr, wozu sie denn überhaupt eigentlich da ist. Kein religiöser Verein, sondern Nachfolger Jesu sind wir, und das hast Du gelebt. Danke Dafür. Danke auch für Dein Beziehung-knüpfen, Dein Lachen, Lästern, Weinen, Trösten, Begleiten, Begeistern, Dein Anecken, Laut-und-zu-laut sein, Dein Lieben und Leben teilen, es war alles ok und gut so.
Danke für DEIN Leben im Pfarrhaus und Euer Leben im Pfarrhaus, mit stillem Mut.
Danke für Dein Vikars-Vater-Sein. Du bist der beste, den wir derzeit im KK haben (und der einzige). Danke für Deinen tollen Einsatz im Pastorenkonvent, Deine unvergessenen Reisen, ja Danke auch für Deine Stimme im Kirchenkreis. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Du manchen Evangelikalen hier eher Pfahl im Fleisch oder Dorn im Auge warst, oder gar deren Balken… In jedem Fall warst Du Teil der Heiligen Dithmarscher Familie. Und schade, dass Du gehst!
Wobei, vielleicht, wer weiß, vielleicht danken wir Dir irgendwann und in der Ruhe des späten Rückblicks dann doch, dass Du nach viereinhalb Jahren gegangen bist, weil neun Jahre wären uns möglicherweise ja auch zu anstrengend gewesen… Ach nein, es hätte auch weiter gehen können, vielleicht waren die viereinhalb Jahre auch zu kurz für Saat und Ernte… Für einen reichen Segen waren sie mehr als lang genug.
- Wünsche
In Deinem WhatsApp-Profil steht etwas rätselhaft: Ortlose selbst brauchen selbstlose Orte. Wir wünschen Dir unruhigem Geist Orte, wo Du dich auch mal selbst los sein kannst, wo Du Ruhe findest, leise treten darfst, wo Deine Unstetheit Gefäße findet. Wir wünschen Dir eine neue Wirkungsstätte, wo man Dich auch liebt so wie Du bist und obwohl Du bist wie Du bist.
Wir wünschen Dir auch, dass Du in Frieden gehen kannst. Wo Du so ein Segen sein kannst, wie es der neue Ort braucht und Du darinnen..
Du hast 45 Jahre gebraucht, um reif für Brunsbüttel zu werden, und tja liebe Leute, genau viereinhalb Jahre Brunsbüttel brauchte Ingo Pohl, dann war er reif für die Insel… Diese intensive Vorbereitung hier muss doch einen Sinn gehabt haben: Wir sind sehr gespannt, von Dir zu hören!
Pass auf, dass Dich eigene und fremde Erwartungen nicht fressen. Eh Du aufgefressen bist, komm zurück.
Noch ein Wunsch von mir: Dein Abgang kommt zur Unzeit,
Abschiedsschmerz und andere Sorgen mischen sich in der Kirchengemeinde, aber dafür kannst Du nichts, belaste Dich nicht mit solchen Gedanken. Lass Dich frei davon. Und wir sind gespannt, ob die Sylter Nordfriesen Dich unruhigen Geist die Seßhaftigkeit lehren können.
Ein sehr herzlicher, sehr persönlicher Wunsch von mir. Nach meiner Auffassung hast Du viel von dem umsetzen können, was Augustinus, der alte Kirchenvater als christliche Freundschaft beschrieben hat, als eine Form wertvoller gelebter geistlicher Gemeinschaft. Ich lese das mal vor, wie er das meint, und hoffe, DU und Ihr könnt Euch darin wieder finden. Und mein Gebet ist, dass die Insel reif dafür ist, mit Ingo solchen Segen auch zu erleben. Und in Brunsbüttel möge es so bleiben…
Mit einander reden und lachen, sich gegenseitig Gefälligkeiten erweisen, zusammen schöne Bücher lesen, sich necken, dabei aber auch einander Achtung erweisen, mitunter sich auch streiten – ohne Hass, wie man es auch mit sich tut, manchmal auch in den Meinungen auseinandergehen und damit die Eintracht würzen, einander belehren und von einander lernen, die Abwesenden schmerzlich vermissen und die Ankommenden freudig begrüßen – lauter Zeichen der Liebe und Gegenliebe, die aus dem Herzen kommen, sich äußern in Miene, Wort und tausend freundlichen Gesten, und wie Zündstoff den Geist in Gemeinsamkeit entflammen, so dass aus den Vielen eine Einheit wird.
Augustinus, Confessiones
So Ingo Pohl, mit diesem Wunsch nach Segen zieh jetzt Leine, mach Dich vom Acker, acker woanders, biblisch gesprochen: sieh zu dass Du Land gewinnst.
Gott ist mit Dir, du sollst woanders ein Segen sein.
Amen.