Ich, Pontius Pilatus

Vor zwei Jahren stand hier an diesem Tag ein jüdische Kollaborateur, ein gewisser Judas, der behauptete ich wäre Schuld am Tode seines Meisters. Auch ich habe euch dazu was zu sagen. Mein Name ist Pontius Pilatus und ich war Statthalter meines Herrn Tiberius in Judäa. Ich lebte in Cäsarea, angenehmes Klima dort mit Meerblick.

Und du schenktest uns die Pferdearena, neue Straßen und das große Aquädukt – Heil dir Pilatus

Schon gut schon gut – römische Kultur eben, Zivilisation, aber vor allem Recht und Ordnung. Das macht sich natürlich nicht von allein. Auf meine Armee kann sich Rom verlassen, Steuern und Sklaven liefer ich pünktlich ab. Während meiner Zeit in Judäa herrschte Ruhe, Blut und Eisen und das Holz der Kreuze sorgten dafür. Dieser Zimmermann war ja nur einer von Vielen die das Recht ans Kreuz brachte. Mir war die Macht gegeben, Leben zu nehmen und zu geben, aber nicht von seinem Gott, wie er behauptete, sondern von dem Meinen. Tiberius Kaiser und Gott.

Wir Römer sind in religiösen Fragen sehr tolerant.

In den letzten 10 Jahren starben mehr Christen weltweit wegen ihres Glaubens, als in 300 Jahren Römischen Reiches

Alle Völker unter Römischer Herrschaft können anbeten wen sie möchten, aber dieser Rabbi aus Nazareth, er duldete die Vielfalt nicht. Man könne nur einem Gott dienen predigte er und noch absurder: man solle sich kein Bild von ihm machen. Was soll das denn für ein Gott sein? Vereint sich Widerstand mit Religion, dann wird’s gefährlich. Ich habe meine Mitarbeiter beauftragt, rein inoffiziell, gabs schon zu meiner Zeit, ihn auszuhorchen. Meine Frau hatte ihn mal gehört und verfiel in Schwärmerei. Ich brauchte Fakten. „Ist es erlaubt dem Kaiser Steuern zu zahlen?“ Warum konnte er da nicht einfach mit Ja oder Nein antworten? Er hat meine Spitzel erkannt und für den Nazarener war das keine politischer Frage. Er machte sie zu einer religiösen. „Welches Bild auf der Münze sei“ erwiderte er. Das des Tiberius Kaiser und Gott. Er hat nicht geantwortet zahlt brav eure Steuern, sondern er wollte, dass seine Anhänger unser Geld, unsere Währung, die Grundlage von Fortschritt, das Zahlungsmittel der Macht zurückgeben.

Der Prediger war davon überzeugt, der Besitz einer Münze mit dem Bild unseres Gottes widerspreche dem wahren Glauben. Ja sogar wenn man dieses geprägte Bild auch nur berühre, wäre man unrein. Die Juden sollten dieses Geld zurückgeben. Das war ein Aufruf zum Boykott der Währungseinheit. Das war Anmaßung und Anstiftung zum Aufruhr. Der Mann wollte die Grundlage all dessen, was Fortschritt bedeutet abschaffen – unser Geld.

Ich habe für erheblich geringere Straftaten, Menschen kreuzigen lassen. Was hat das mit Schuld zu tun? Und als wäre das nicht Provokation genug reitet er auf einem Esel durch Jerusalem. Ich habs nicht verstanden. Seine Anhänger sehr wohl. Einer ihrer Propheten weissagte, der König der Juden würde es genauso tun, nämlich auf einem Esel durch das Davidstor einreiten. Hätte ich es mal zugemauert, wie es die Osmanen später getan haben.

Der Prozess war unausweichlich. Eure Geschichtenerzähler berichteten später, ich hätte den Juden die Wahl gelassen und einen anderen Gefangenen zum Austausch angeboten.

Ja dieser Barabas

Das ist nicht wahr. Eine solche Klausel sieht das Verfahrensrecht nicht vor nicht in Rom und nicht in Palästina. Nett gemeinte Geschichtsglättung. Man wollte schließlich Römer vom christlichen Glauben überzeugen. So bot man mir im Nachhinein die Schüssel, damit ich mich in Unschuld wasche. Eure Geschichten-erzähler waren bemüht, mich von der Schuld freizusprechen, die seitdem an mir klebt und ich weiß noch nicht einmal warum?

Was kann man mir denn vorwerfen? Ich habe Recht gesprochen und die Provinz vor Blutvergießen bewahrt.

Besser das Einer sterbe für Viele

Ich werde seinen Blick nie vergessen. Als hätte er Mitleid mit mir. Dieser Mensch voll blutender Hautfetzen sah mich an ohne jede Wut. Der Schmerzensmann und ich, wir schwiegen und ich meinte, er verstünde in jenem Moment auch die vielen Seelenschmerzen meiner tiefen Einsamkeit. Macht macht einsam. Ohnmacht verbindet. Mich hat die Geschichtsschreibung vergessen. Eine jämmerliche Inschrift könnt ihr finden in Cäsarea, an der Hafeneinfahrt, mehr nicht. Von ihm spricht noch die ganze Welt.

Was ist Wahrheit?

Geld regiert die Welt und das ist mein Gott, dem ich verpflichtet bin. Ihr alle lebt davon und das kostet Opfer. Auch heute werden weltweit dafür Menschen aufs Kreuz gelegt. Wer ist denn Schuld daran?

Was ist Wahrheit?

Vielleicht siegt ja des Nazareners Idee vom Reich Gottes, aber das entscheide nicht ich. Ob mein Urteil Recht oder Unrecht war entscheidet ihr. Wie viele Lohnsklaven in den Billigproduktionsländern, den Kolonien des Kapitalismus, lasst ihr, wenn auch nicht gleich kreuzigen, so doch Blut und Wasser schwitzen, weil euer Geiz geiler ist als Solidarität? Welchem Gott folgt ihr denn? Meinem oder dem von dem ihr kein Abbild machen sollt. Folgt ihr diesem Gott Mammon oder dem einzigen Gott.

Ob mein Urteil Unrecht war und die Idee Jesu stimmt das Gerechtigkeit lebbar und Friede allen Menschen, denn sie seien von Gottes Gnade, das entscheiden wir,

wir alle

Jeden Tag.

AMEN

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