Predigt zu Apostelgeschichte 4,32-37

Liebe Gemeinde

Als der Evangelist Lukas die Geschichte der jungen Kirche niederschrieb, war Jesus von Nazareth schon 40 Jahre tot. Die Apostelführer Petrus und Paulus waren in Rom hingerichtet und die Mehrzahl der Gläubigen lebten außerhalb Palästinas verstreut im römischen Reich und orientierten sich nicht mehr wie der Wanderprediger aus Galiläa an das mosaische Gesetz. Jüdische Traditionen verblassten hinter griechischer Philosophie. Aus der Sammlungsbewegung eines erneuerten Israel wird eine Gemeindekirche mit sozial caritativem Engagement. Das jahrhundertealte Zentrum geistlichen Lebens, der Tempel in Jerusalem war von den Römern zerstört und die Anhängerschaft Jesu auf Identitätssuche. Dieser Prozess war für diejenigen, die Jesus persönlich kannten und insbesondere den Gläubigen der Kerngemeinde in Jerusalem sicher alles andere als einfach nachvollziehbar oder gar harmonisch. Von daher darf die Aussage, „sie waren alle ein Herz und eine Seele“ sehr idealisierend verstanden werden. Die nachapostolische Zeit war geprägt durch eine Neuaufstellung – strukturell ebenso wie in ihren inhaltlichen Schwerpunkten. Bibelkritisch können wir heute allerdings sehr wohl Textstellen identifizieren, die uns ein Bild des jüdischen Wanderpredigers aus Nazareth und seinen Intentionen liefern, wie ebenso jene, die bereits eine gefilterte Wahrheit durch die Lesebrille des Lebens der frühen Kirche abbilden.

„Ich bin gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Ich bin nicht gekommen auch nur einen Buchstaben des Gesetzes zu brechen, sondern es zu erfüllen. Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber nicht, bringt Gott jetzt die Ehre. Die Zeit ist nahe, kehrt um das Reich Gottes bricht an. Und dafür, geh hin verkaufe was du hast und folge mir nach. Das alles brauchst du nämlich nicht. Entdecke und lebe die Schönheit, die du bist wie die Blume auf den Feldern. Mache dich arm, halte dich nicht auf, blick nicht zurück, bereite dich vor, öffne dich für die kommende Wirkmächtigkeit Gottes.

Liebe Gemeinde, die junge Kirche hatte mit der Radikalität, der eindeutigen messianischen Ausrichtung und den endzeitlichen Inhalten der Botschaft des Wanderpredigers enorme Schwierigkeiten. Wie sollte man missionarisch die Botschaft Jesu in die Welt tragen, wenn die ersten Getauften bereits versterben und das Reich Gottes als sichtbare Erscheinung noch immer auf sich warten lässt? Die ersten Gemeindegründer vor allem natürlich Paulus lösen diesen Konflikt, in dem sie lehren, dass die Kirche selbst der Beginn der Reich Gottes Wirklichkeit ist. Und selbstverständlich sind im Reich Gottes alle ein Herz und eine Seele. Mit der Neuausrichtung der Reich Gottes Lehre entscheidet sich die vom Pfingstgeist begleitete junge Kirche auch das Leben in der Jüngerschaft Jesu neu zu interpretieren. Die Propheten des 1. Bundes erzählen vom Reich Gottes. Lahme gehen, Blinde sehen, Tote stehen auf. Die Wunderberichte des 2. Testamentes nehmen gerade darauf Bezug. Mit Jesus dem Christus beginnt diese neue Wirklichkeit und setzt sich fort im Handeln der Apostel und ihrer Gemeinde. Gott erhöht die niedrigen, die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. Der Maria zugesprochene Text ist ein liturgischer Gesang der frühen Kirche. So soll es unter ihnen sein, so bricht Reich Gottes an. Nur das die Handelnden die Gemeindeglieder der Kirche sind und nicht mehr Gott selbst. Die junge Kirche versteht sich als Solidargemeinschaft. Die Gläubigen nennen nichts mehr selbst ihr Eigen, damit die Gemeinde allen gerecht das teilt, was sie benötigen und Arme, Witwen, vom Leben Vergessene und Abgehängte versorgt werden. Für die Gerechtigkeit Gottes sorgt seine Leibhaftigwerdung in Form der Kirche. Eine Kirche für die Armen benötigt versorgende Mittel. Dies ist bis heute die grundlegende Auffassung kirchlichen Selbstverständnisses und es gibt viele Gründe die Inkarnation Gottes in seiner Kirche auch so zu verstehen.

Was wir allerdings aus dem Leben und den Predigten Jesu in den drei Jahren seines charismatischen Wandertums wissen, ist in seiner Ausrichtung viel theozentrischer. Die Bewegung, die Jesus ins Leben rief war keine Bewegung für die Armen. Judas, der die gemeinsame Kasse verwaltete, hatte dies mehrfach eingefordert. Stattdessen lässt sich Jesus mit für viele tausend Euro teurem Nardenöl die Füße salben.

Liebe Gemeinde, Jesus predigte keine Kirche für die Armen, sondern eine Kirche der Armut. Das ist ein Unterschied. Eine Kirche für die Armen benötigt Geld, benötigt Strukturen, benötigt Verwaltung, benötigt bezahlte Verwaltungsknechte. Eine Kirche der Armut benötigt einzig Gottvertrauen, benötigt einzig Aufbruchsbereitschaft ohne Netz und doppelten Boden, benötigt Mut, die Hände nicht mehr vom Pflug zu nehmen und zurückzuschauen, benötigt Frechheit, sich nicht damit aufzuhalten schon längst Totes irgendwie konzeptionell aber dann eben doch noch zu beerdigen. Eine Kirche der Armut macht sich frei von allem Ballast, weil sie das Kommen des Reiches Gottes einzig von Gott selbst erwartet und nicht von Menschenhand. Eine Kirche der Armut ist arm an Institutionellem, weil sie auf etwas wartet, was vom lebendigen Geist Gottes durchweht ist. Gott wird die Tempel aus Stein einreißen und errichten Tempel in unseren Herzen. Diese Vision Jesu hat so gar nichts von jeglicher Organisationsform Kirche.

Wir dürfen arm sein, leer, ungesättigt und sehnsuchtsvoll, damit einzig der Unaussprechliche Besitz von uns nimmt und wir aufmerksam werden für den Anbruch seines Reiches. Und natürlich fordert eine Kirche der Armut von jedem uns etwas ab. Woran mache ich mich fest? Was ist in meinem Leben der doppelte Boden, die Sicherheitsleine, meine Versicherung, weil die Zusage des Unaussprechlichen mir doch etwas wage erscheint. Geh hin, verkaufe alles, gibs den Armen, aber weil es dir ausschließlich um den Himmel geht. Wieviel Gutes hätte z.B. der Hl. Franziskus mit all seinem Reichtum und seinem Erbe für die Armen tun können. Nein er verzichtet. Er gibt sein letztes Hemd dem Vater zurück, um arm zu sein wie die Armen.

Liebe Gemeinde, eine Kirche für die Armen oder die Kirche der Armut. Auch wenn sie meinen engagierten Worten vielleicht rauszuhören vermögen, wohin ich tendiere und welchen Weg ich auch für mich einschlagen möchte gibt es in dieser Frage kein richtig und kein falsch. Kirchliches Handeln ist seit den Tagen der Urgemeinde von Jerusalem geprägt mit sozialer Kompetenz und wie der Hl. Diakon Laurentius gesagt haben soll, sind die Armen der Schatz der Kirche. Aber vielleicht könnte die Gemeinschaft der Getauften und die eigentliche Botschaft des Jesus Christus vom Hereinbrechen des Reiches Gottes, wieder an Relevanz gewinnen, würden wir uns von Jahrhunderte Jahre alten Ballast befreien und uns senden lassen wie Jesus die Seinen sandte: nehmt nichts mit auf eurem Weg.

AMEN

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