„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit“
Nanu ein Adventslied, es ist doch kurz vor Ostern. Wer den Text ungefähr kennt, der ahnt aber, dass gerade dieser „Adventsschlager“ das passende Lied zum heutigen Palmsonntag ist. Die Woche in der die Christen des Todes und der Auferstehung Jesu gedenken, beginnt mit seinem Einzug in die Stadt Jerusalem.
„Sanftmütigkeit ist sein Gefährt“. Auf einem Esel reitet er in die Stadt und „Zweiglein der Gottseligkeit“, Palmzweige, werden ihm entgegengestreckt. Das es eben ein Esel ist auf dem er reitet ist eine gezielte Provokation. Denn es steht in den Texten der Propheten, dass der Messias, der neue König, auf einem Esel durch das David‘s Tor reiten wird. Die ganze Dramaturgie dieses Tages ist eine bewusste Inszenierung des Anspruchs Jesu, „ein König aller Königreich zu sein, ein Heiland aller Welt zugleich“. Jesus fordert die Besatzungsmacht heraus. Er setzt ein politisches Zeichen.
Liebe Gemeinde, ja Christentum ist auch politisch, weil Jesu Botschaft vom Hereinbrechen des Reiches Gottes auch politisch war. Seine Ansprachen zum Thema Steuer zahlen und der Rangordnung in seinem, d.h. Gottes Reich, waren politische Aussagen. Und sein Empfang in der Stadt Jerusalem dessen wir heute gedenken, zeigt, wie sehr seine Ideen die Massen auch bewegen konnten. Jesus hatte Einfluss. Er wurde immer mächtiger. Er war glaubhaft und wirkte durchsetzungsstark.
So einen als starken Mann im Staate, Hosianna. So einen als Staatslenker, das täte gut auch für das eigene Ego. Alle anderen, die etwas wollen, ob Kredite, Finanzausgleiche, Schuldenerlasse, würden sich vor ihm klein machen und ihm die Füße küssen. Das würde uns selber mächtig machen, vom Gefühl her.
Aber die Politik dieses Mannes aus Nazareth, der da auf einem Esel einreitet, würde gerade alles umdrehen. Alles, was wir meinen von Politik und Macht verstanden zu haben, wie wir meinen, dass es funktioniert, dreht dieser Mann einfach um. Die Ethik Jesu ist gerade umgekehrt unseres üblichen, ach so vertrauten und gewohnten Kalküls. Und das ist das Ungeheuerliche, das Skandalöse, das uns Angsthasen Provozierende. Das was wir nicht ertragen können und ein ums andere Mal ans Kreuz schlagen:
Die Grundordnung, die sich Jesus vorstellt besteht im Mut, sich klein zu machen.
Nicht herrschen befreit
Nicht recht haben wollen setzt Recht durch
Nicht Macht, Alles zu tun ermächtigt Menschen zu begleiten und zu führen,
sondern Mut zu dienen – Demut- setzt Kräfte in anderen frei,
in Achtsamkeit auf den Anderen achten erweckt im Anderen das, wovon er wirklich leben kann und Ohnmacht, hinhören, nicht alles selber tun wollen, mitleiden, der Kraft des Schweigens Raum lassen, schenkt Menschen die Macht, Ihr Leben zu führen.
In der Ordnung Gottes, die Jesus verkörperte, lässt man sich nicht die Füße küssen, man küsst anderen die Füße. Wahre Würde, Respekt und Macht verdienen, die, die arm und bittend sind. So sieht das Königreich Gottes aus für das Jesus eintritt und für dessen Umsetzung er in Jerusalem einreitet. Ein System in dem es nicht um Leistungsstärke und Effizienz geht, sondern um Solidarität und Teilen, der Traum eines solchen Landes ist damals wie auch heute anarchisch, so ist aber Reich Gottes.
Und Jesus erwartet dafür auch eine Entscheidung von der religiösen Oberklasse. Also von uns Pastoren und Bischöfen. Verwalten wir den Glauben oder leben wir Anbruch des Reiches Gottes. Begleiten wir Menschen hin zu ihrer Sehnsucht nach diesem Reich Gottes oder ist Kirche nur noch ein um sich selbst drehender Verein?
Liebe Gemeinde,
Religion wie Jesus sie lebte, ist angesichts des nahen Reiches Gottes keine Religion, die von bezahlten Hauptamtlichen dominiert wird. Nicht der rechte Vollzug des Kultes am Tempel ist wesentlich für den Glauben, sondern eine wahre Umkehr der Herzen. Das Anbrechen des Reiches Gottes bedarf keiner Vorbeter. Es bedarf eines jeden von euch. In Gottes Reich haben auch nicht die Mächtigen das Sagen, sondern die Barmherzigen, nicht die von Beamten verwaltete Religion, sondern unsere Herzen werden der neue Tempel Gottes sein und Jerusalem ist überall dort, wo Menschen Gott in ihr Leben einlassen.
Wir können den heutigen Palmsonntag feiern, wie jeden Sonntag auch. Oder wir machen Brunsbüttel zu Gottes Jerusalem. Hier wo wir leben will Gott Einzug halten. Wir sind eingeladen nicht einfach nur den Gottesdienst abzusitzen, sondern Gott einzulassen in unsere Mitte, in unsere Straßen, in unsere Nachbarschaften, in unsere Herzen
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!
Gott will kommen, wir müssen ihn nur einlassen!
Wenn nicht wir Christen Gottes verwandelnder Kraft eine Chance geben, wer denn dann?
Liebe Gemeinde,
Manfred und ich waren am vergangenen Wochenende in Barcelona. 1 1/2 Tage nach unserem Rückflug stürzte auf gleicher Route der Germanwings Flug ab. Natürlich sind unsere Gedanken und Gebete sehr bei den Angehörigen der Verunglückten. Wir werden auch in diesem Gottesdienst im Gebet ihre Trauer teilen. Und eine Nebenbemerkung: der journalistische voyeuristische Hype der Medien auf die Familie des Copiloten finde ich schlichtweg widerlich.
In Barcelona nahmen wir uns einen halben Tag Zeit für das wahrscheinlich beeindruckenste Bauwerk der Jetztzeit, die Sacrada Familia. Kein Wolkenkratzer, kein Fußballstadion, eine Kirche ist der aktuelle archetektonische Höhepunkt menschlichen Geistes. Ihr Baumeister Antonio Gaudi erschuf ein einmaliges Glaubenszeugnis. Inmitten eines atheistischen Stadtviertels und geprägt von einem gottfeindlichen Zeitgeistes baut er ein neues Jerusalem. Betritt man die Kirche durch das Portal des Leidensweges, so ist im Fußboden die Bildszene des Einzugs in Jerusalem eingelassen. Steht man im Innern dieses lichterfüllten Raumes, werden alle Blicke permanent in die Höhe gezogen. Und in was für eine Höhe. Der Raum scheint kein Ende zu nehmen. Seine Formgebung entnimmt Gaudi der Natur.
Alles ist Gott. Gott hält hier bei uns Einzug: inmitten aller Gottvergessenheit, inmitten sozialer Spannungen, inmitten wachsender Entfremdung von der Kirche hält Gott Einzug. Es gibt kein anderes, kein besseres Jerusalem auf Erden als eben diese Realität. Und hier ist jeder von uns aufgefordert den Palmsonntag Realität werden zu lassen.
Wo Menschen die Tore ihrer Herzen für das Kommen Jesu öffnen, leben sie Gottesbezug. Lasst Gott ein!
Und ich möchte hier nochmals für die guten Gründe eines Gottesbezugs in unserer Landesverfassung werben. Es hat eben nicht rückwärtsgewandtes, ganz im Gegenteil. Ein Gottesbezug ist völlig realitätsbezogen und das ist es, was seine liberalistischen Gegner meiden, Realität. Die sich als aufgeklärt, liberal bezeichnenden Gegner ertragen nicht, dass unsere Welt eine Welt der Grenzen ist, der Grenzen zwischen Verstehbarem und Unverständlichen, der Grenzen zwischen erkennbarem Raum und Unendlichkeit, der Grenzen zwischen Freude und Lust und Trauer und Verlust. Die Katastrophe dieser Woche macht aber gerade diese Grenzen deutlich. Der Mensch allein hat eben nicht alles unter Kontrolle. Warum fällt es uns so schwer trotz täglich sichtbarer Beispiele, dies zu akzeptieren? Der Glaube an die Technik oder gar an die Menschheit, wie in Diskussionen immer wieder behauptet, der ist doch zum Scheitern verurteilt, das beweisen die letzten 200 Jahre auf dramatische Weise.
Aber, es ist auch wahr, der Palmsonntag ist der Anfang eines Leidensweges. Und das letzte Buch der Bibel, die Apokalypse schildert eben das Scheitern der Menschheit.
Liebe Gemeinde,
die Realität beweist, wie sehr wir auf Gott verwiesen sind, wie begrenzt unser Machen ist und das Undenkbare faktisch gegeben und daher ein Gottesbezug notwendig ist. Gaudi hat diese Welt der Grenzen und des sich darin offenbaren-den Gottes in seiner wundervollen Kathedrale bezeugt. Ich bitte sie alle als bekennende Christen in ihren Möglichkeiten in der Öffentlichkeit auch Zeugnis zu geben für die Wirklichkeit Gottes in unserer Zeit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit, ganz sicher.
AMEN