Ich, Judas Iskariot

So nennt ihr mich, als ob das mein richtiger Name sei. Nie hätte ich mich so nennen lassen. Sicariot…die Sprache unserer Besatzer, die unsere Mütter schändeten und unsere Brüder kreuzigten. Sicariot ist Latein und bezeichnet was ich war und worauf ich stolz bin: ein Zelot. Ich war nicht der einzige unter uns 12 en, der sich gegen die Römer ereiferte. Ja ich träumte wie alle anderen vom Reich Gottes, von Gerechtigkeit und Frieden. Wir Zeloten waren aber keine Himmelsvertröster. Wir wollten das Elend in unserem gelobten Land verändern. Ja auch mit Gewalt. Ist Gewalt denn immer Sünde?

War der Kampf des Arminius in Germanien eine Sünde? War die Landung der Alliierten in der Normandie, um Hitlerdeutschland zu besiegen Sünde? Ist der Krieg gegen den Terror heute eine Sünde? Wir Zeloten wollten nichts anderes als Freiheit und die Römer hätten uns doch nicht aus ihren uns aussaugenden Fängen freiwillig entlassen.

Ihr sagt seit 2000 Jahren, ich sei Judas; der Judas, der hässliche Jude an sich. Der Verräter, dabei war ich der Einzige der den Willen meines geliebten Meisters erfüllte. Tu, was du tuen musst, sagte Er noch am letzten Abend und ich weiß, dass dein Schmerz dich zerbersten wird. Ich soll IHN verraten haben?

Ich habe ihn geliebt!

Alle haben sich abgewandt, haben den Garten fluchtartig verlassen. Vorher haben sie auch noch geschlafen, während ich den Heilsauftrag ausführte. Meine Freunde haben den lieben Meister allein gelassen. Und Ich?

Ich habe ihn geküsst.

Ein Kuss voll Liebe und Schmerz. Wie an unserm ersten Tag, als wir uns begegnet sind. Seine Worte, sein Blick, seine verströmende Achtsamkeit schenkten meiner zornigen Seele Ruhe. Und Liebe heilte meine Seelenwunden. Er berührte mein Innerstes und unter Schmerzen nahm ich Abschied von meiner Wut. Ich las die Propheten mit neuen Augen. Ich wäre für Jesus gestorben, für ihn, der mein Leben schon in dieser Welt rettete, weil er mich Erbarmen lehrte. 

Das wundert euch wohl. Ihr meint noch immer, ich hätte ihn verraten. In den Schriften aus dem Leben Jesu findet ihr nur einen Hinweis auf Verrat und den gleich 3X. Petrus, den ihr den Felsen der Kirche nennt, er, der später der erste Bischof in Rom werden soll, er verrät Jesus und zwar 3X bis der Hahn kräht. Aber als die junge Kirche sich vom Judentum löste, um die Botschaft Jesu ins römische Reich zu tragen, mußte die Schuld auf mich und damit auf alle Juden geschoben werden. Macht sich nicht gut in Rom zu predigen, dass es der Imperialismus und die Gewaltherrschaft des römischen Sklavenhaltervolk war, welche Gottes Sohn gekreuzigt hat. Dann doch lieber die Juden, die ewigen Looser. 30 Silberlinge soll ich für den Verrat erhalten haben. Wie könnt ihr so etwas glauben? Eine derartige Währung gab es gar nicht in Israel zu meiner Zeit. Bezahlt heute bei euch jemand noch in Gulden? Seht ihr…. Ich hätte in Denaren oder Drachmen bezahlt werden müssen, aber nicht mit Geld, dass es seit 500 Jahren nicht mehr gab. Der Prophet Sacharja weissagte ca. 500 Jahre vor Jesu Geburt, dass der Preis der Auslieferung des Knechtes Gottes eben 30 Silberlinge sei, der geringste Kaufpreis für einen Sklaven. Matthäus kannte diese Bibelstelle und viele andere Gläubige auch, ok ihr nicht mehr…                                                                          und deshalb, um den Opfertod Jesu zu erklären werden mir lange nach meinem Tod nebst des Verrates auch noch die 30 Silberlinge angedichtet.

Und was sollte ich denn verraten? Jesus war stadtbekannt. Er predigte im Tempel, war gern gesehen in allen Gelehrtenschulen, an seinem Leben war nichts geheim, das es zu verraten galt. Am Sonntag noch zog er, wie es die Propheten voraussagten als der neue König in Jerusalem ein. Nicht nur ich, viele mit mir hofften, dass dies das Signal für das Errichten seiner göttlichen Herrschaft sei. Aber die Erhebung des Volkes blieb aus. Für die Herren des Tempels war er eben doch nur der Sohn eines Zimmermanns. 

Mein Meister wusste es. Er erblickte die Gedanken ihrer Herzen. Er hat oft vorher schon von seinem Tod gesprochen. Ihm war klar, dass sein Einzug in Jerusalem nicht das Reich auf Erden errichten wird, sondern vielmehr die Römer zum entschiedenen Eingreifen provoziert. Ja, ich habe meinen geliebten Herrn überliefert, wie es Jesu Wunsch war, weil Gottes Weg zum Heil eine ganz andere Dimension öffnet, als es eine materialistische, Raum Zeit gebundene irdische Wirklichkeit meint. Was du tust, dass tue jetzt so wies Jesus in dieser Nacht mich an. Und ich musste es doch tun, ich musste die Römer zu ihm führen, um seinen Heilsplan zu erfüllen. Jesus war ein König, aber das war seine Botschaft: König bin ich als der leidende Gottesknecht. Diese Welt liegt noch immer in Geburtswehen. Die ganze Schöpfung ächzt vor Schmerzen. Und Gott leidet mit. Denn diese Welt ist Leid. Und er Jesus leidet nochmals den Schmerz der Welt, damit mein Schmerz, dein Schmerz, der Schmerz aller, seine Macht verliert. Das Reich Gottes bricht an, aber nicht in irdischen Grenzen, sondern in der je eigenen göttlichen Berufung. Jeder von euch ist Erbe der göttlichen Einheit, Erbe des Paradieses. Das, was uns knechtet hat keine Macht über uns, denn das Leben ist mehr. Wie durch den Schleier eines Wasserfalls ging Jesus durch das Leid, um uns allen die wahre Wirklichkeit zu offenbaren. Macht euch frei von euren Ängsten und Zwängen. Wer glaubt an Gott betritt einen Raum unendlicher Weite. Das Reich Gottes ist nahe, gaaaanz nahe.

Woher ich das weiß?

Ich war doch dabei, als mein geliebter Jesus wieder zu uns kam am dritten Tag.

Ihr könnt es nachlesen: Paulus schreibt es an seine Gemeinde in Korinth. Das war um das Jahr 52, 20 Jahre vor dem ersten Evangelium als Juden und Christen noch eins waren. Paulus schreibt: Jesus erschien den 12en. Auch Petrus schreibt dies in seinem von der Kirche nie anerkannten Evangelium. Wie in einem schlechten Drehbuch lassen die Evangelisten mich aber in ihren viel späteren Berichten den Auferstandenen nicht sehen. Das passte nicht mehr in ihr Bild von mir. Bei der Art meines Ablebens waren sie sich allerdings uneinig. Bei Matthäus habe ich mich erhängt und bei Lukas bin ich während der Landarbeit gestürzt und dabei bis auf die Eingeweide hin zerborsten. 

In Wahrheit stand ich Jesus viel näher als manch andere. Denn ich habe seinen für uns alle getragenen Schmerz mit erlitten. Seine bangen Stunden waren auch meine furchtsamsten Momente. Ich, sein Werkzeug musste den Blick Marias aushalten. Aber ich war es eben auch, der seiner Ankündigung, am dritten Tage werde er den Tempel seines Leibes wieder errichten, glaubte. 

Ja, das Leben ist größer als der Tod, ich weiß es. Jesus hat mich nicht nur von meiner Angst und meiner unterdrückten Wut erlöst. Er hat mir vor allem seine Achtsamkeit und Gelassenheit geschenkt. Vielleicht liegt hier der Grund, warum mein Name in späteren Zeiten so schlecht gemacht wurde. Ich zog es vor, mit diesem großartigen Geschenk Jesu für mich zu sein. Ich verspürte nicht den Drang, andere zu missionieren. Ich war erschöpft und sehnte mich einzig in der Nähe Jesu zu bleiben. Und ich gründete keine Gemeinden und wählte auch kleinen Opfertod.

Das eine Opfer, das meines Jesus, das ist nämlich genug!

Ich geriet in Vergessenheit und man erinnerte sich erst wieder meines Namens, als die neue Christengemeinde den verräterischen Juden brauchte, um die Geschichte meines Meisters weiter erzählen zu können.

Ich dachte, es wäre mal an der Zeit, euch meine Fassung der Ereignisse dieser Nacht zu erzählen. In dieser Nacht beginnt der Heilsleidensweg. Petrus wird 3X leugnen unseren geliebten Meister zu kennen. Er wird behaupten, nicht mal seine Sprache zu sprechen. Er, der zuvorderst stand, er wird Jesus im Stich lassen. Aber ich will gar nicht auf Petrus schimpfen. Mit ihm habe ich mich längst vertragen. Aber, was ist eigentlich mit euch?

Ihr sucht doch einen Verräter. Denkt daran: Ein Finger, der auf andere zeigt und drei Finger, die dabei auf einen selbst verweisen. Kennt ihr Jesus? Lebt ihr mit ihm? Wenn man euch fragt, erzählt ihr von ihm? Bekennt ihr euch zur Kirche? Oder ist es euch eher peinlich? Sprecht ihr denn öffentlich noch die Sprache Jesu, die Sprache der Güte, der Vergebung, der Allbarmherzigkeit? Oder kennt ihr diese Sprache nicht mehr? Habt ihr solches Sprechen auf dem Altar des Pragmatismus` geopfert? Steht ihr Jesus bei? Oder lasst ihr ihn auch im Stich?

„Was ihr einem meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt das habt ihr mir getan“. 

Steht ihr ihm bei, ihm der euch sein Gesicht zeigt an den Grenzzäunen Europas, der euch in den Fußgängerzonen seine verdreckte Hand entgegenstreckt und in den Altenheimen auf ein wenig Zuwendung wartet?

Wer verrät eigentlich Jesus?

Ich?

Oder nicht seit bald 2000 Jahren eben die, die seinen Beinamen Christus für sich in Anspruch nehmen? Seid ihr die lebendigen Steine, mit denen mein Freund Jesus den Tempel Gottes auf Erden baut? Oder übt ihr täglich Verrat an ihm?

Ich weiß es nicht und bin auch nicht euer Richter. Das wird ein Anderer sein.

Bedenkt: Umkehr und Neuanfang sind jederzeit möglich. Unser Freund Petrus ist da das beste Beispiel. Und Jesus lädt euch ein: bleibet hier und wachet mit mir. Wachet und betet. Nutzt eure Zeit!

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