Das muss jetzt gesagt werden

Liebe Gemeinde,

ein Pastor sollte davon predigen, wovon sein Herz voll ist. Und ein Pastor nimmt auch den Prophetendienst in der Gemeinde wahr. Er mahnt und tröstet. Ich mag heute nicht über einen biblischen Predigttext sprechen, sondern vielmehr über das, was in diesen Tagen in unserem Land passiert, weil es mich bewegt und weil wir Christen an allen Orten, Stammtischen, Nachbarschaften, Familienfeiern Stellung beziehen müssen. Und das jetzt.

Liebe Mitchristen,

immer mehr Menschen in Deutschland und Europa leiden unter großer Angst.

Da sind jene, die sagen, sie hätten heute Angst vor Überfremdung, aber Bananen essen jene immer noch ungebrochen leidenschaftlich gerne. Auch füllen jene ihre Benzintanks mit in Brasilien und Nigeria angebauten Soja, ist ja billiger. Und mal ehrlich: wer kauft sich schon ein weißes T Shirt für den fairen Preis von 20 €, wenn es auch eines in Pakistan für 3 € produziertes bei einem Discouter gibt?

Am Krieg haben auch alle Deutschen durch Umsatz-und Gewerbesteuer der Waffenexporteure Millionen verdient, aber von allen diesen Opfern unseres durch moderne globale Sklaverei errungenen Wohlstandes, fühlen jene sich jetzt bedroht. Und jedem Gerücht und jeder Lüge über Facebook geil verschlungen hetzen sie nach. Sie wollen für ein christliches Abendland streiten, dabei haben 80% der AFD Wähler so überhaupt keine Ahnung vom Christentum, geschweige denn, dass sie ihren Glauben in der Gemeinschaft der Kirche leben und teilen.

Ich glaube schon, dass sie leiden, aber in unserer narzistischen  und zu globaler Ausbeutung angelegt degenerierten Gesellschaft wohl mehr an eigenem Identitätsverlust als an einer realen Bedrohung  durch andere. Jene Ängstlichen sind sich in Wahrheit selber fremd geworden, weil sie in ihrer eigenen Antriebslosigkeit ersaufen und sich nun in ihrer ersulten „Fütter mich“ Mentalität bedroht fühlen durch die, die bereit sind Strapazen und Opfer zu bringen für ein besseres Leben.

Und die sich jenen Ängstlichen Anschließenden, die besser gestellt sind, sind blind für die Chancen von für unser Land ja notwendiger Migration und können nun endlich unter dem Deckmantel bürgerlicher Besorgnis ihren latenten Rassismus und Ihre Aggression gegen alles was anders ist als die eigene Spießigkeit, herauslassen.

Trost finden all jene in Internetforen und eigenen Networkverbindungen, die die freie Presse als Lügenpresse titulieren und selber ideologisch einseitig Lüge und Hetze verbreiten. Ihre Gläubigen saugen deren Nachrichten auf, wie Verdurstende faules Wasser.

Ja mir macht dieses brodelnde Gemisch aus pöbelnder Dummheit und bürgerlicher Spießigkeit Angst.

Heute die Presse, morgen die Flüchtlinge, dann die Juden, die Schwulen und die Behinderten. Das hatten wir alles schon einmal.

Niemand soll seine nationale, kulturelle oder religiöse Identität aufgeben, glaubt doch nicht solchen Phantasien rechtsnationaler Propagandisten. Wenn unsere pluralistische, demokratische, Gesellschaft mit weit mehr als 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern ein Identitätsproblem bekommt, dann nicht wegen ein oder vielleicht sogar irgendwann drei oder vier Millionen Zuwanderern. Wenn es eine Bedrohung gibt, dann durch diesen Hass und die durch Angst, Dummheit und bürgerlich spießige Ressentiments verursachte Panik.

Die Unfallgaffer und „mit dem Finger auf andere Zeiger“, fühlen sich in ihren Vorurteilen durch die Vorfälle in der Silvesternacht bestätigt. Dabei sind sie selber Täter, Weggucker und Verdränger. Nach einer Statistik der europäischen Agentur für Grundrechte aus dem Jahr 2014 haben 50 % aller in Deutschland lebenden Frauen Erfahrungen mit psychischer Gewalt. 20-29% aller Frauen in Deutschland erlitten bereits körperliche und sexuelle Gewalt. Deutschland steht mit diesen Opferzahlen im oberen Drittel Europas. Das muss jeden anständigen Bürger dieses Landes zu Debatten und Reaktionen nötigen, denn hierbei geht es um Formen in unserer Gesellschaft veranlagter struktureller Gewalt.

In Hamburg ärgern sich U-Bahn Benutzer darüber, dass sie mehr arabisch als deutsch während der Fahrt hören. Aber jene Volkserregten sind selber außer Stande, zu faul, zu bequem, zu angestrengt, um, wenn sie nach Hause kommen, sich mit ihren Kindern zu unterhalten wohlgemerkt auf Deutsch. Sie wollen in Ruhe ihren Feierabend genießen und sind froh wenn Deutschlands Suche nach dem nächsten Topmodel sie vor dem lästigen „sich für ihre Kinder interessieren Müssen“ befreit. In unseren Familien hält die Sprachlosigkeit ungezügelt Einzug bei gleichzeitigem gesteigertem Konsum medialen Schwachsinns. Aber wenn andere sich auf Arabisch in der U Bahn unterhalten fühlen jene sich belästigt.  Wer selber nicht mehr ein Buch auf Deutsch liest, darf sich doch nicht über andere Sprachen in seiner Umgebung ärgern, das ist doch absurd!

Nicht erst seit der Ankunft der ersten Flüchtlinge gibt es eine Diskussion in Deutschland, Gott sei Dank, über unseren Fleischkonsum. Der Kauf eines Kilo Schweinefleisch für weniger als 4 € ist die „Geiz ist geil“ Falle, hinter der sich in Wahrheit eine ökologische und Tierrechtliche Katastrophe verbirgt. Übersäuerte Böden, Antibiotikaresistenzen, Gift in allen Nahrungsketten, aber wir wollen unser billiges Schweinefleisch weiter. Diese Form des Schweinefleischkonsums ist doch kein Kulturgut, welches jetzt zu schützen ist, weil Jene, „wir verstehen euch Ängstlichen“ meinen, mehr Moslems könnten unsere wohlschmeckenden in KZ Mastfabriken erzeugten Schnitzel aus den Kantinen vertreiben.

Weniger Schweinefleisch täte uns allen gut. Das sagt mir mein gesunder Menschenverstand und nicht eine religiöse Norm. Diese Angst eben aber zu schüren von einer Partei mit dem C als Anspruch empfinde ich als absolut abstoßend.

Liebe Gemeinde,

auch ich bin ein Wutbürger. Mich macht unser kollektives stilles Zuschauen, ob dieses zunehmenden Konsens „wir hätten wieder etwas gerade zu rücken“ wütend.

Für alle möglichen kulturellen und sozialen Veränderungen suchen jene einen Sündenbock, weil sie selber nicht bereit sind zu kritischer Selbstreflexion. Es ist das alte immer wiederkehrende Kain und Abel Prinzip: wir erschlagen lieber den Bruder an unserer Seite anstatt wir unsere eigene Unzulänglichkeit reflektieren.

Liebe Gemeinde,

natürlich gibt es unter uns Menschen, die vergessen werden und die unter berechtigten Existenzängsten leiden.

Ich denke an Obdachlose unter ihnen immer mehr Frauen.

Ich denke an minderjährige alleinerziehende Mütter und Väter.

Ich denke an arbeitslose Künstler ohne Krankenversicherung.

Ich denke an Menschen mit einem Handicap, die der Arbeitsmarkt nicht zu integrieren vermag.

Ich denke an Prostituierte ohne Lobby und an Straßenkinder, die nie familiäre  Wärme gespürt haben und ich denke an die vielen hilfsbedürftigen älteren Menschen, die in den Wohnsilos unserer Großstädte vereinsamen.

Wenn diese Menschen auf die Straße gingen, auf sich aufmerksam machen würden und ihre Ängste herausbrüllen würden, würde ich mich ihrem Demonstrationszug anschließen. An dessen Seite gehört meine christliche Solidarität. Aber all den Biedermännern in unserem Land, die Flüchtlingsfamilien niederbrüllen, weil sie nun endlich meinen, ihre unterdrückte Wut ob des eigenen Lebens in erstickendem Mittelmaß, auf unsere Straßen bringen zu können, denen gebührt unser entschiedenster Widerstand.

Jene behaupten, mein Gutmenschentum würde die Probleme nicht lösen. Muss es auch nicht. Ich vertraue der Politik! Mein Gutmenschentum wird aber den Esprit dieses Landes erhalten als frei, offen und veränderungsbereit. Geben wir der Politik ein wenig mehr Zeit. Lösungen deuten sich ja bereits an und immer mehr Flüchtlinge kehren auch schon wieder bitter enttäuscht in ihre Armut zurück, weil es dort lebenswerter erscheint, als bei uns.

Liebe Mitchristen,

Ich bin gerne ein sogenannter „Gutmensch, denn anders kann ich als Christ gar nicht leben. Und ich erwarte von jedem von uns den Aufstand eines Anständigen! Nicht irgendwann wenn wir erschrocken feststellen, dass es höchste Zeit wird, sondern jetzt!

Ich danke ausdrücklich allen Mitbürgern, die aus der Mitte der Gesellschaft kommend so viel ehrenamtliches Engagement zeigen und den Menschen, die ein neues Leben beginnen wollen zu Seite stehen und damit ob bewusst oder unbewusst die eigentlichen Bewahrer christlich abendländischer Kultur sind.

Wir Christen dürfen jenen Klakeuren, die unsere freiheitliche und unseren ethischen Prinzipien verpflichtete Gesellschaft bedrohen nicht belanglos das Feld der Bilder und der Parolen überlassen. Jene verdienen unseren Zorn, unseren Widerstand, ebenso wie unsere Vergebung und Liebe.

AMEN

LEAVE A COMMENT