10. Sonntag nach Trinitatis

Als er näher kam

Liebe Gemeinde, Gott kam uns nahe.Gott ist uns Christen nicht der unberührbare Weltenlenker.

Gott ist uns Christen nicht eine bloße Idee.

Gott ist uns Christen nicht eine menschenfreundliche Ethik.

Er kam uns nahe.

Mir geht etwas nahe.

Damit will ich sagen: mich berührt etwas. Da ist etwas mir nicht mehr egal.

Nähe verändert.

Wenn jemand oder etwas mir zu nahe tritt, werde ich beunruhigt. Ich fühle mich ertappt. Da hat etwas meinen wunden Punkt getroffen.

Er kam uns nahe. Ganz konkret in Jesus aus Nazareth;

uns als Gemeinschaft und mir als einen Teil davon;

lasse ich ihn in meine Nähe?

Manchmal fragt er auch gar nicht und sucht mich. Spüre ich seine Nähe? Oder bin ich so abgestumpft, dass es mich nicht berührt, das er da ist?

Nähe verändert! Er soll mir bloß nicht zu nahe kommen. Ich möchte mein Christsein gerne auf Abstand leben, so irgendwie…      wie es eben passt.

Als er näher kam und die Stadt sah Jesus bleibt nicht auf Abstand.

Er ist dabei.

Er ist da.

Er mischt sich ein.

Er macht sich ein Bild.

Er schaut auf die Stadt.

Zunächst Jerusalem, heute auch Brunsbüttel.

Eine naive, aber dennoch spannende Idee: Gott schaut auf Brunsbüttel.

Was gibt es hier zu sehen?

Als er näher kam und die Stadt sah, weinte er über sie

Manchmal ist es echt zum Heulen. Das in Jerusalem und auch das in Brunsbüttel.

Wenn uns das schon so geht, wie dann erst ihm, dem Fluchtpunkt der Weltgeschichte, dem universellen Du aus dem alles kam und zu dem alles hinstrebt, bis zu dem letzten Tag.

Gott weint.

Soll er doch alles in Ordnung bringen, wenn er Gott ist. Stattdessen weint er.

Ohje, wir haben nichts gelernt. Wir sind kein Deut besser, als die Wundersüchtigen Leute vor 2000 Jahren im von den Römern besetzten Israel. Die warteten auch auf irgendein Rambazamba. Aber Gott macht ernst mit seiner Welt. Er überlässt sie ihrer eigenen emanzipierten Geschichte.

Und er weint.

Ich finde das ist enorm. Er ist eben nicht distanziert. Gott lässt sich berühren und zeigt Gefühl.

Ich bitte euch, weinen wir einem Flüchtling, der ertrinkt, eine Träne nach, berührt uns das Elend dieser Welt überhaupt noch? Weinen wir mit den Griechen? Weinen wir mit Jessiden und Kurden?

Oder bleiben wir nicht doch besser auf Abstand?

Das war doch immer schon so. Wir machen doch nichts anders als all die anderen Generationen vor uns auch.

Genau das liebe Gemeinde, eben diese Haltung besiegelt das Schicksal unserer vergänglichen Welt.

Wenn du doch an diesem Tag erkannt hättest, was dir zum Frieden dient. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen.

Ich bemühe mich, aber ich kann wenig Tröstliches in diesem Satz finden. Helene Fischer besingt „Unseren Tag“.

Der Tag, wo man vor Glück schier zerplatzen kann. Der Tag, an dem aus einsam zweisam wird. Der Tag, wo die Liebe sich konzentriert in einem Ja. Aber den Tag, der uns allen zum Frieden dient, den haben wir Menschen wohl verpasst. Die Chance wurde vertan. Die erste Ankunft des Gottessohnes, die haben wir mal so richtig verbockt. Viel besser ist unsere Welt nämlich nicht geworden. Wir morden einander in steigender Qualität und Grausamkeit, vergiften die Schöpfung und nehmen allen Lebewesen im wahrsten Sinn des Wortes auf absehbare Zeit die Luft zum Atmen.

Die Heilszusage für seine Welt aber, die hat Gott nicht zurückgenommen. Das Neue Jerusalem ist uns jedoch verborgen. Frieden muss erst noch werden. Die Wirklichkeit Gottes wird wieder in dieser Welt einbrechen. Noch ist diese Dimension aber uns nicht greifbar. Aber es kommt, es kommt ganz sicher. Und Christen warten auf die Wiederkunft Gottes.

Liebe Gemeinde, so ganz verborgen ist die Vision des neuen Jerusalem uns doch nicht. Wir feiern gleich gemeinsam Abendmahl. Dieses Zeichen hat uns Jesus Christus ganz bewusst hinterlassen für diese Zeit des Wartens. Im Teilen von Brot und Wein erahnen wir, wie es sein kann in dem neuen Jerusalem:

Alle Menschen sind ein Leib zusammengefügt aus den Gebrochenheiten ihres Lebens. Alle Menschen berauschen sich an der Nähe Gottes, die uns durchströmt und verwandelt.

Er hat einen Anfang gemacht.

Als Gott uns besuchte

Und er erneuert sein Angebot in der Feier von Brot und Wein hier und heute

AMEN

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