Verklärung Christi

Ich bin kein Gipfelstürmer. Vier Berge habe ich bislang bestiegen, wobei allerdings keiner die 1700 m. übertraf. Allen Besteigungen gemeinsam war ein Gipfelerlebnis. Ich erreichte die Baumgrenze und es öffnete sich eine fast nicht zu beschreibende Weite. Auf dem Pendling bei Kufstein erinnere ich mich, befand ich mich auf dem Gipfel oberhalb einer Wolkendecke, die sich langsam auflöste und den Blick ins Tal freigab. Der Gipfel des Laber bei Ettal eröffnete Perspektiven auf Berge, die vom Tal aus gar nicht zu sehen waren.

Meine Lieben,

an Höhe gewinnen, das erhebt. Und die Perspektive verlässt die manchmal enge Bodenhaftung, die alltäglich die Welt anschauende Zweidimensionalität und verleiht unseren Seelen Flügel. Es stellt sich wie automatisch das Gefühl ein, dem Himmel näher zu sein. Tiefenpsychologisch hat die Gipfelbesteigung etwas mit der Auseinandersetzung des eigenen Selbst und der Entdeckung der eigenen inne ruhenden Lebenswahrheit zu tun. Und so auch der Kern der Geschichte von der Verklärung des Jesus von Nazareth: wolle man der eigenen Mitte, dem göttlichen Kern, der einen mit dem Himmel sich vermählenden Wirklichkeit begegnen, ist es, als müsse man einen hohen Berg besteigen. Diese Berge finden wir nicht in Tirol, Bayern oder Israel. Es sind Aufschwünge des Glücks.

Wie, als beträte man ein Heiligtum und alles Erstickende, Bedrängende, klein Haltende, den Blick Verengende und Lebensträge verlässt einen, wie das Verschweben einer Wolkendecke. Der Seelenblick wird klar. Alles verklärt sich.

Es ist wie frisch verliebt und alle sehen deinem Gesicht an, dass du glücklich bist.

Du hast einen Aufstieg hinter dir. Und das, was du verlassen hast, das ist auf einmal unendlich weit weg, sieht nur noch ganz klein aus, verliert an Bedeutung, dafür streckst du dich in eine lichte Weite.

Hierin, in ebendieser Erfahrung, in dieser Einheit mit mir und dem Himmel, steckt die eigentliche Wahrheit meines Selbst. Dieses mich verklärende Glück, diese Kathedrale lichtdurchflutenden Farbenspiels, ist der Kern meines Wesens, mit dem eins zu werden Erlösung ist. 

Meine Lieben,

der Autor der Erzählung von Jesu Verklärung wendet sich an Judenchristen, an Gläubige, die mit den Überlieferungen des 1. Testamentes sehr vertraut sind. Das zu vernehmen, was in uns leben will, was uns zum Strahlen bringt, schildert Matthäus für seine Leserschaft daher, sei wie ein Sprechen mit Mose und Elija, den beiden Glaubenssäulen des Bundes Gottes mit Israel. Jenen begegnet Jesus während er Gottes Stimme hört auf dem Berg Tabor, sowie Mose Gott hörte auf dem Sinai und Elija ihn erlauschte auf dem Horeb. Es ist als wolle Matthäus ohne Umschweife verkünden: Jesus ist der 2. Mose. Er ist der wiederkehrende Elija, für den das Volk stets ein Gedeck mehr am Tisch hat.

Gott zu begreifen, zu verinnerlichen, was Menschwerdung in Jesus für einen selbst zu bedeuten vermag, bedarf es des Selbst in Kontakt zu bleiben mit Mose und Elija, den Bundeszeugen Gottes. Petrus will drei Hütten bauen. Und doch hat christliche Theologie zwei Hütten abgerissen. Unsere jüdische Tradition hat kein Dach gefunden. Dies immer wieder in Erinnerung zu rufen, als Defizit zu benennen und für den eigenen Glaubensdialog wach zu halten, werde ich nicht müde.

Meine Lieben,

mit Mose verdichtet sich die visionäre Perspektive des Volkes Gottes nach Freiheit. Freiheit aus aller Menschenknechtschaft, Freiheit von aller angstmachenden Macht einiger weniger durch Geld sich über andere erhebenden Eliten, Freiheit von vorprogrammierten, abzuleistenden Inhalten aus Menschenabhängigkeit, hinein in die Gottesoffenheit der Wüste; mit Mose in Kontakt sein, öffnet stets den Blick für die goldenen Kälber, um die wir gerne tanzen und in deren Despotie wir uns freiwillig übergeben. Mose an seiner Seite zu wissen lässt uns Tränenmeere durchschreiten im Vertrauen, das Gottes Gesetz trägt, führt und uns Sonne und Schild ist. Oft stand Mose allein gegen die von der Freiheit Überforderten und sich an die knechtenden Fleischtöpfe Zurücksehnenden. Er blieb aber bis zum Lebensende treu, dem, der sich ihm im brennenden Dornbusch offenbarte als der: ich bin wo du bist

Und er hielt das Gesetz fest, das für ihn der Weg dorthin war. Er hielt daran fest auch stellvertretend für andere.

Wir Menschen haben Angst davor, was wir einander antun. Vor den Ketten, die wir anlegen und den vermeintlichen Sicherheiten, die wir einander nicht zu geben in der Lage sind. Aus diesen Ängsten kann uns herausführen eine Wüstenwanderung, wie sie Mose angeführt hat. Die Stille, Kargheit, Einsamkeit der Wüste als Zeit der Erneuerung und des Durchschreitens zu dem Land, wo Milch und Honig fließen, das eigene Land unendlicher Weite und großartiger Freiheit;

Der Prophet Elija steht an Jesu Seite, weil er das Volk Israel lehrte, wie es sich zu behaupten gilt auch gegen die unsichtbaren , gerade darin aber noch gefräßigeren, Feinde des Lebens, Dämonen, Abergeister, das Kostbarste verbieten wollend und Opfer verlangend.

Auch hier ist ein Berg Ort des Geschehens, der Karmel. Das Volk Israel könnte eigentlich glücklich leben im Land der Verheißung. Doch auch das gelobte Land, Projektion für „alles wird gut“, hat seine Defizite. Wie diese Erfahrung aushalten? Wie Schwächen und Fehler auch der eigenen Existenz annehmen? Wie sich in Gnaden und geliebt wissen, wenn Vieles im Leben unverständlich bleibt und eigene Lebenskränkungen einen in den Sog lückenbüßerischen Ableistens ziehen, in den Sog der Macht des dämonischen Gottesbildes vom buchhalterischen, überfordernden und damit strafenden Götzen? Bis in unsere Tage und immer noch von Kanzeln gepredigter Kreuzestheologie, werden die Baalspriester egal welcher Konfession nicht müde, Opfer zu fordern. Ur-Mißvertrauen sei zu versöhnen, so die Lehre der Götzendiener durch alle Jahrhunderte, wenn du das Beste und Wertvollste in deinem Leben aufopferst. In Kanaan zur Zeit des Propheten Elija war es die männliche Erstgeburt. Übrig von diesem Blutdurst bis heute, aber erheblich barmherziger, der Ritus der Beschneidung. Christliche Theologie ihrerseits verfemte das Streben nach Glück als selbstsüchtige Sünde und neurotisiert bis heute Gläubige mit der Auffassung, in Aufopferung des eigenen Glücks, sich die Barmherzigkeit des Richters und Todes Götzen zu erwirken. Vor rund 2800 Jahre forderte Elija auf dem Karmel die Baalspriester zum Wettkampf. Dieser Wettkampf hält an bis heute. Elija führt dem Volk vor, wie irre vor Wut und menschenverachtender Ekstase der Glaube an die eigene Zerfleischung sich gebiert und das der Mensch aus sich heraus nichts weiter tun muss, als sich nur dem Urteil Gottes selbst zu überlassen. Wer danach lebt macht sich allerdings unter der Schar der lauten Stimmungsmacher wenig Freunde. Und so muss der Prophet Elija in die Einsamkeit des Berges Horeb fliehen. Hier offenbart sich ihm Gott erneut und zwar im Säuseln wie verschwebendes Schweigen des Windes.

Meine Lieben,

auf dem Berg Tabor setzt sich fort, was in der Taufe im Jordan begonnen hat: „Du bist mein geliebtes Kind. An dir habe ich Gefallen.“ So die Gewissheit, die Jesus spürt und ihn erstrahlen lässt. Gott hat ebenso an uns gehandelt. Seine Zusage hat er jedem von uns in der Taufe gemacht. Und die Überlieferung seiner Verklärung ist wie eine Anleitung, es ihm gleich zu tun. Jesus lädt jeden von uns ein, seinen eigenen Tabor zu besteigen. Wir Menschen sind geboren zur Freiheit, zur Weite des Herzens und zur Höhe des Glücks. Um auf der Erde leben zu können, bedarf jeder seines Stückes Himmel. Nur so können wir heute schon das Reich Gottes kommen sehen und es bezeugen.

Ich wünsche uns, dass auch wir Mose und Elija zu uns reden hören. Ich wünsche uns, dass wir Wege in die Freiheit beschreiten, dem Gesetz Gottes vertrauen, den Kampf gegen die Abergeister aufnehmen und unseres eigenen Selbst gewahr werden so sicher und unvergleichbar wie ein uns umspielender Hauch. Und gäbe es wenigstens einen Menschen, den wir aus innerer oder äußerer Knechtschaft herausführen können und ihn dazu bewegen den Gehorsam dem Opferdämon gegenüber zu verweigern, wir wären dem Himmel schon ganz nahe, denn in den Himmel kommt man nicht alleine. Lichte Augenblicke schauen wir am besten, wenn wir einander anschauen – offen und tief wie ein Brunnen, in dem sich der Himmel spiegelt voll Glück.

Meine Lieben,

sehr bewusst, steht die Geschichte von der Verklärung auf dem Berg Tabor in der Leseordnung am Ende der Weihnachtszeit. Ich glaube, jeder von uns hat schon eine Ahnung oder es vielleicht auch schon einmal erlebt, wie sich Verklärung, Lichtdurchflutet Sein, mit sich eins seiendes Glück anfühlt. Aber Tabor vermögen wir nicht festzuhalten. Es ist zwecklos, dort Hütten zu bauen.

Taborerfahrungen sind aber enorm wichtig, weil in eines jeden Lebens ein weiterer Berg seinen Schatten wirft. Auf diesen Berg feiern wir liturgisch nun hin und dort werden die Worte fallen: es ist vollbracht, Golgotha.

Der Wirklichkeit des Leidensberges kann sich niemand entziehen. Sich verraten fühlen, vom Leben betrogen, Verlassenheit, Schmerz und Todesangst – jeder von uns wird sein Golgotha besteigen müssen. Um so mehr ist die Erfahrung der Nähe zu dem, was Mose und Elija darstellen wichtig, um sich der Ahnung gewiss zu bleiben, wie es sein wird: leben in der Weite der Himmel.

AMEN

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