Predigt zum 4. Advent

Liebe Gemeinde,

der Hymnus des Magnifikat den wir gerade gehört haben, ist erheblich älter als das Lukasevangelium welches ihn uns überliefert und deren Autor ihn dann Maria in den Mund legt.  Dieses Lied ist ein Glaubensbekenntnis der ersten Christen gesungen in der Sprach- und Bilderwelt des 1. Testamentes. Der Hintergrund und Horizont dieses Liedes ist die messianische Erwartung des auserwählten Volkes Israel. 

So wie dieses Lied bekennt, soll er sein, der Befreier, Völkereiniger und Friedensstifter. Die Textpassagen dieses Hymnus sind wie ein vorweggenommenes Regierungsprogramm des kommenden Königs der Welt: Hochmütige werden zerstreut, Mächtige vom Thron gestoßen, Niedrige groß gemacht, Hungernde beschenkt.

Worin liegt aber die Grundlage dieser messianischen Hoffnung, von der wir Christen sagen, dass sie mit dem Weihnachtsfest den Beginn ihrer Erfüllung genommen hat?

Gott nimmt sich seines Knechtes Israel an

und denkt an sein Erbarmen, 

das er unseren Vätern verheißen hat

Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.

Die Menschwerdung Gottes geschieht nicht in einem geschichtslosen Raum. Vielmehr ist die Ankunft des Messias eingebunden in die Verheißung an Abraham und seinen Nachkommen. Das messianische Reich der Gerechtigkeit und des Friedens ist eine biblisch jüdische Glaubenstradition. Und der Jubel über Gott den Retter meint die Erfüllung des Heilsgeschehens am Volk Israel.  

Oft wird gelehrt und gepredigt, dass Gott einen neuen Bund in Jesus Christus begründe und sich ein neues Volk erwählte. Liebe Gemeinde, das ist theologischer Unsinn und legte schon in früher Zeit der Kirche somit das Fundament eines christlichen Antisemitismus. Die Kirche ersetzt nicht das Gottesvolk Israel. Es hat durch das Christentum auch keine Enteignung stattgefunden des Bundes Gottes mit Israel. Diesen Bund hat Gott nie aufgelöst. Und nochmal, er hat auch keinen neuen Bund begründet vielmehr sind wir Christen durch die Taufe auf den Namen des Juden Jesus in die jüdische Reich – Gottes Hoffnung hineingenommen. Jesus beginnt nicht bei Null, sondern er setzt sein Leben ein für die alte, ewig neue, Abraham verheißene Zukunft einer versöhnten Menschheit unter Abrahams Segen. Wer dem Glauben Abrahams folgt, steht im Bund mit Gott, so die Kernbotschaft des 1. +2. Testamentes. Der Glaube des Abraham ist der Trost des Volkes Gottes. Wie er beten wir in jedem Gottesdienst: dein Reich komme!

Aus Glauben auf Gott zog Abraham aus, ohne zu wissen, wohin er komme und aus Glauben siedelte er im Land der Verheißung, denn er wartete auf die Stadt, die wahrhaft feste Fundamente hat und dessen Erbauer Gott selbst sein wird. So steht es im Hebräerbrief.

Abraham zieht aus, ohne um den Erfolg des eigenen Handelns zu wissen. Das, worauf er vertraut, wird erst noch kommen. Und wir Christen schreibt Paulus im Epheserbrief sind Mitgenossen dieser Hoffnung auf das Reich Gottes.

Ihr seid Söhne und Töchter Gottes durch den Glauben an Christus Jesus und Abrahams Samen, Erben gemäß der Verheißung, schreibt Paulus an die Galater.

Das Vertrauen des Abraham in den Bund mit Gott ist für Jesus das Zugehörigkeitskriterium zum Volk Gottes. In seinem Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus ist der Schoß der Seligkeit und des Erbarmens der Schoß Abrahams. Die Zugehörigkeit zu seinem Glauben entscheidet über die Rettung nach dem Tod. Die Bekehrung des Oberzöllners kommentiert Jesus mit den Worten: heute ist diesem Haus Rettung widerfahren, weil auch dieser ein Sohn Abrahams ist. Denn der Menschensohn ist gekommen aufzusuchen und zu retten das Verlorene. Und ebenfalls im Lukasevangelium betont der Autor nach der Heilung einer verkrümmten Frau, dass nun diese Tochter Abrahams wieder aufrecht stehend am Lobe Gottes Abrahams teilnehmen kann.

Liebe Gemeinde,

dem Glauben des Christus Jesus zu folgen heißt explizit, sich als Sohn oder Tochter Abrahams zu verstehen, auch wenn wir Christen nur sehr wenig der Lebensregeln der Tora befolgen. Die Bibel erzählt vom Bund Gottes mit seinem Volk Israel, aber auch davon, dass Abrahams Erwählung dem Heil der ganzen Menschheit dient. Abrahams Rolle ist somit partikular und universal zugleich. Abrahams Glaube begründet den Bund Gottes mit Israel. Dieser Bund Gottes ist das leidensbereite Trotzdem des einen Wortes Gottes gegen die blutverschmierte, hungernde, schöpfungsquälende und schicksalsgläubige Hoffnungslosigkeit der Welt.

Verbunden mit der Zusage an Israel auf ewig ist die universale Verheißung, dass die Hoffnung auf völkerverbindende und schöpfungseinigende Versöhnung niemals untergehen kann.

Das Ja gesprochen zu Abraham ist das Pfand, der Anker, die Hoffnung,

dass die Revolutionierung aller ungerechten Verhältnisse,

von Maria besungen,

lebendig bleibt.

Judentum und Christentum sind nicht zwei Bekenntnisse und auch nicht verschiedene Bundesschließungen, die sich gegenüber stehen, sondern es sind zwei Wege des einen Bundes. Es gibt einen jüdischen Heilsweg ohne Christus und einen mit Christus. Beide dienen dem Bund Gottes geschlossen mit Abraham, um alle Völker zu erleuchten, für Frieden allüberall und um Israel in Freiheit zu setzen. 

Natürlich gibt es einen bleibenden theologischen Dissens. Für die Propheten und die pharisäischen Rabbiner, übrigens Jesus aus Nazareth stand jenen theologisch sehr nahe, geht das Heil aller Völker aus von einem zunächst befreiten Israel. Paulus kehrte den Weg um. Für ihn ist der Völkerfrieden nicht Folge, sondern Werkzeug für die Freiheit Israels. So schreibt der Apostel im Römerbrief. Allein unter diesem Aspekt, ist es nicht zu begreifen, wie die Kirche ihre eigene Wurzel fast zwei Jahrtausend lang leugnete, bekämpfte und verfolgte und nicht wie es die Vision des Propheten Sacharia war, ihre jüdischen Wurzeln wie ihren Augapfel behütete. 

Liebe Gemeinde,

Kirche Jesu Christi ist dort, wo der Horizont der Verheißungen Gottes an Abraham in seiner geschichtlichen Perspektive allen Völkern geöffnet wird, somit Kirche dem Völkerfrieden dient

und Kirche ist dort, wo sie bekennt, als geistliche Kinder Abrahams für die bleibende Freiheit unserer jüdischen Geschwister und ihrem Recht auf Land, Einheit und Frieden einzutreten. Kirche wo sie sich auf Christus beruft steht ja nicht ohne geschichtlich/ theologischen Kontext.

Gott denkt an sein Erbarmen,

das er Abraham verheißen hat

welches Weihnachten im Christusbekenntnis der Kirche seine Fortsetzung findet. Ein Kind wird uns geboren und Frieden soll werden, für alle Kinder Abrahams, die wie er glauben, aufbrechen und das Reich Gottes erwarten. Ein Kind wird uns geboren für den Völkerfrieden und wir sind seine Kundschafter.

AMEN

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