oder die Begegnung mit dem Namen Gottes
Das Tetragramm von rechts nach links gelesen aus den hebräischen Buchstaben, yodh, er, waw und er bildet den unvokalisierten Eigennamen Gottes unseres gemeinsamen Volkes Israels wie er im 1. Testament überliefert wird.
Juden ist es untersagt, den Namen Gottes auszusprechen und mittlerweile hat es sich in einem wachsenden ökumenischen Miteinander auch in den meisten christlichen Konfessionen durchgesetzt, seine Aussprache zu vermeiden. Zum einen, ist es eine Haltung des Respekts der Gottheit gegenüber. Ebenso wie sein Haupt zu bedecken, weil Gott so groß und unendlich, das eigene Wesen allumfassend, mich vom Mutterleibe kennend ist, ist es im jüdischen und muslimischen Kulturraum zumindest für Männer eine Haltung der Akzeptanz von Gottes Großartigkeit. Es drückt aus eine Mischung aus Erschrecken, Zugewandtheit und liebevoller Auslieferung an das göttliche Gegenüber. Eine berüchtigte Stelle im 1. Korintherbrief (1. Kor 11,4-7) bez. der Frage, wann Männer und Frauen ihr Haupt bedecken sollen, wird im christlichen Kontext fälschlich ausgelegt und überliefert, wenn man dort mit Haupt Kopf und Haar versteht. Vielmehr geht es Paulus, um die von ihm erwünschte öffentliche Wahrnehmung von seiner Ansicht nach gottgegebener Rollen- und Rangordnung in Familie und Gesellschaft. Seit dem 12. Jahrhundert ist es erst in Europa üblich, voreinander aus Respekt und Wertschätzung „den Hut zu ziehen“.
So wie aus Anerkennung, Wertschätzung und Liebe, Männer ihr Haupt Gott gegenüber bedecken, verbietet es sich auch den Namen Gottes auszusprechen. Distanz kann auch heilsam sein.
Ihr kennt das Märchen Rumpelstitzchen. Sein Name ist gerade zu magisch. Mit des Kobolds Namen ist Macht verbunden, Magie – der Genannte lässt sich herbeirufen. Einen Namen aussprechen ermöglich Interessensmissbräuche und wie im Märchen könnte man meinen, mit dem Namen Gottes eine Zauberformel in der Hand zu haben. Und eben nicht. Gott ist nicht verfügbar. Gottes Eigentlichkeit ist uns verborgen. Jedes Wort, jede Aussage, die wir meinen, über ihn sagen zu können beschreibt mehr wie er nicht ist, als wie er ist, weil er immer der oder die ganz andere ist. Worte gleichwohl Namen formulieren aber, definieren, begrenzen. So ist nicht Gott.
Alle Versuche, Gottes Wesen aus seinem Namen zu erschließen berühren eine unübersteigbare Grenze.
Im 1. Testament wird eine deutungsintensive Offenbarungsbegegnung des Mose überliefert. Mose begegnet Gott in einem brennenden Dornbusch, der nicht verbrennt. Hier stellt sich Gott persönlich vor. Dabei gibt er aber nichts über sein Wesen preis. Er macht keine objektivierbare Aussage über sich, was dazu dienen könnte, sich ein Bild von ihm zu machen. Vielmehr ist die Formulierung die der Autor des Exodusbuches für die Gottesoffenbarung wählt so etwas wie eine Absichtserklärung, eine Deutung göttlicher Wirksamkeit. Jüdische wie christlicher Übersetzer betonen die Dynamik in der göttlichen Selbstoffenbarung der Dornbuschszene.
„Ich bin der, ich bin da“
„Ich werde sein, der ich sein werde“
Oder wie Martin Buber übersetzt: „Ich bin, wo du bist“
Wie aber nun konkret umgehen mit den vier Buchstaben, des Namens Gottes, die in der Bibel ausgeschrieben sind aber nicht ausgesprochen werden sollen? Welches Bild, welche mögliche Deutungsübersetzungen sind denkbar?
Martin Luther entschied sich für der „HERR“
Die katholische Kirche übernahm 2006 in Absprache mit dem römischen Oberrabinat ebenfalls diese auch im Judentum übliche Bezeichnung „Adonai“ der „HERR“
Andere mögliche Übersetzungen wären:
Der oder Die Ewige
Der oder die Lebendige
Der oder Die Eine
Liebe Gemeinde,
der Prophet Elija erlebt ebenso wie Mose auch eine ganz persönliche Gottesoffenbarung. Nachdem er die menschenopfernden Baalspriester auf dem Karmel besiegte und sich damit auch mit der Staatsmacht Königin Isebills anlegte, muss Elija fliehen. Eine spannende Parallele zu Mose, der als er die Schafe seines Schwiegervaters hütete und Gott begegnete, auch ein Flüchtling war. Und wie Mose macht Elija diese Gotteserfahrung am Berg Horeb. Die genaue Ortung dieses Berges ist bis heute strittig.
Elija ist ratlos. Er ist erschöpft. Er ringt um Perspektiven. Und eigentlich möchte er alles aufgeben. Das macht auch Angst.
Als Kinder bauten wir uns Höhlen aus Decken und Kissen. Ich hatte ein Indianerwigwam im Kinderzimmer, das mir zu einer Fluchthöhle wurde. Eine Höhle vermittelt irgendwie das Gefühl von Sicherheit, mein kleiner Raum, aber auf jeden Fall ein Ort, wo sonst mich nichts und niemand bedrängt. So kauert auch Elija in einer Höhle am Berg Horeb. Inmitten seines emotionalen Chaos und gefühlter Seelenwüstenei, vernimmt Elija die Stimme Gottes. „Tritt heraus aus deiner Höhle. Stell dich in ihren Eingang“ Ich will mit dir in Kontakt treten. Das geht aber nicht in dieser Haltung des sich „Einigeln Wollen“.
Gott ist nicht im Sturm. Er ist nicht im Beben. Er ist nicht im Feuer.
Das wäre auch alles viel zu konkret und objektiv.
Gott ist, so übersetzt Martin Buber, in einer Stimme verschwebenden Schweigens. Er sei nicht, so der Biograph des Propheten, im großen Auftritt, im Lauten und Erschütternden. Gott sei eher, wie ein Hauch, nicht greifbar, zart, nur eine angedeutete Wahrnehmung.
Liebe Gemeinde,
mich persönlich motiviert diese Passage aus dem Leben des Elija, so berechtigt die Sehnsucht nach der kleinen Höhle in Krisenzeiten auch ist, nicht wie ein Höhlenmenschen zu leben, sondern mich mutig in den Eingang für Neues zu stellen. Wenn ich mich nicht den Gefahren des Lebens, aussetze wie Ablehnung, Kritik, Verlust, Enttäuschung, Positionskämpfe, kann Gott auch nicht wirklich in mir reden. Dann wird das, was mich ausmacht nicht zur Sprache kommen. Und mich tröstet die Gotteserfahrung des Elija, Gott nicht in den Dingen und Ereignissen zu vermuten, die offensichtlich scheinen, die viel TamTam machen und Aufmerksamkeit erregen, sondern ihn mir nahe zu wissen im Atem, der an mir vorbeischwebt.
Vieles in meinem Leben lenkt mich ab, dröhnt mich zu, blockiert mich durch Betriebsamkeit, dabei ist die Ewige, mir schon längst unendlich nahe. Das, was meine Angst nimmt, ist nicht das, was ich zu greifen vermag, sondern was wie verschwebend tief schweigend mich umgibt. Gott atmen ist mehr als Kirchentagsfeeling und Gospelmesse. Um Gott zu wissen darf ich eintauchen in das Schweigen der eigenen Leere. Schweigen ist mehr als nicht reden.
Schweigen ist nicht hören auf die vielen Stimmen, die mich nötigen mir und anderen Antworten zu geben, die wie auch immer Grenzen ziehen. Gott erahnen im verschwebenden Schweigen vermag Grenzen zu überschreiten.
Ich bin davon überzeugt, will Kirche heute antworten für die Zukunft geben, darf sie weder ihr und des Menschen Heil in Festschreibungen ob von Bischöfen oder Synoden welcher Art auch immer noch in kurzlebigen Spaßevents suchen.
Kirche, Gott hat mit dir zu reden, tritt aus der Höhle heraus und suche nicht das Besondere, sondern lass dich anhauchen. Werde selbst zu einer Erfahrung der Unverfügbarkeit, denn der, über den du reden sollst, ist der ganz andere, unfassbar, aber schwebend in eines jeden Menschen Sinn.
AMEN