Das Johannesevangelium war schon zu Ende erzählt, da fügt sein Autor noch ein Kapitel hinzu. Es ist mehr als ein Anhang. Es kommt mir vor wie ein Ausblick, wenn man neugierig machen möchte auf die Fortsetzung der Geschichte. Der Auferstandene erschien Maria aus Magdala, dem Thomas und den anderen 11 im Abendmahlssaal. Der Autor fügt nun noch eine Geschichte an. Die Jünger sind wieder am See, in ihrer vertrauten Umgebung, dort, wo sie Jesus begegnet sind und sie gehen ihrer alltäglichen Arbeit nach, sie fischen. Und uns, die wir schon von der Berufungsgeschichte der Jünger gehört haben, und vom Wunderbericht des Fischfangs – beides dort am See, uns kommt das Setting gleich sehr vertraut vor. Und wir hören die uns bekannten Namen, die Säulen der apostolischen Zeit. Aber mehr noch: wir werden mit hineingenommen in das Boot nur wenige Meter vom Ufer entfernt. Da sind noch zwei Jünger ohne Namen, als sollten wir uns selbst in diese Liste einfügen.
Dieser Anhang des Evangeliums dient nicht dazu eine vergangene Geschichte weiterzuerzählen, sondern sie weiterzuerzählen für dich und mich. Wir sitzen im gleichen Boot. Oft genug teilen wir die Erfahrung erfolglosen Tuns, eine schier nicht enden wollende Nacht vollen Bemühens ohne sichtbaren Ertrag. Es ist dunkel und wie tief der Lebenssee unter uns ist können wir nur ahnen. Es mangelt nicht an Tüchtigkeit, trotzdem fühlt sich unser eingebrachtes Lebensnetz leer an, nicht wirklich substanzhaltig. Wofür das Alles eigentlich, was hat es gebracht? Spätestens wenn es uns zu dämmern beginnt, wegen eines lichten Morgenaufgangs in unserem Dasein und du oder ich Bilanz ziehen, weil wir eine Herzensstimme vom anderen Ufer des Lebens hören: na was haste mitgebracht? Wird mir ganz mulmig.
Ihr Lieben,
die Frage vom anderen Ufer her, soll mich aber nicht demütigen, sondern Anfang einer neuen Lebenswirklichkeit sein wie mit der aufgehenden Sonne eines neuen Tages. Werft, so spricht die Stimme des Lebens, werft eure Netze zur rechten Seite aus. Die rechte Gehirnhälfte steuert die Intuition, Kreativität, das Symbolverständnis und Gefühle. Diese Gehirnhälfte wird durch Metaphern aktiviert, durch die beim Zuhörer eigene, dazu passende Bilder, Symbole, Melodien oder Gerüche entstehen können. Das Rohmaterial der Gedanken, die aufblitzenden Ideen, die Bilder, ja alle Sinneseindrücke werden rechts bearbeitet. Sie hat das große Ganze im Blick und setzt sich mit Symbolen, Bildern, Risikobereitschaft und Impulsivität auseinander.
Lerne so das biblische Bild, dein Leben zu begreifen nicht als ein von anderen Gelebtes, Vorgegebenes und Strukturiertes, sondern als eines, dem du zu aller vorerst dir und deinem Bauchgefühl Vertrauendes. Ohne emotional affektiert und völlig irrational dabei zu werden, vertraue deiner Sehnsucht nach Glück. Wer man im Eigentlichen wirklich ist, misst sich am Maß des gefühlten Glücks, wie wenn der Ertrag des Lebensnetzes reisst vor Fülle.
Meine Lieben,
Menschen, die auf den Wassern des Lebens schuften, aber um die Wirklichkeit des anderen Ufers wissen,
die darum wissen, dass kein Abgrund sie in die Tiefe zu saugen vermag, weil sie eigentlich nichts weiter tun müssen, als ihren Herzensbildern zu folgen,
weil sie nicht anderes tun müssen, als dem Leben selbst zu vertrauen, die können auch wie Petrus sich mit Haut und Haaren in unsicheres Lebenswasser stürzen, eingefahrene Boote verlassen und neue Ufer betreten. So wird das Leben reich, davon erzählt diese Geschichte. 153 Fische werden gefangen.
Ist es nicht erstaunlich, dass rund 60 Jahre nach diesem Ereignis der Autor, meint sich daran zu erinnern und es für überlieferungswert hält, dass es genau 153 Fische waren, die den Jüngern ins Netz gingen. Nicht etwa 150 oder über 150, nein genau 153; Die Zahl hat eine Bedeutung, die sich uns ohne Weiteres nicht erschließt, da wir uns heute weder mit der Zahlenmystik noch mit der Theologie von Zahlen in der Bibel auskennen. Auch ich musste Google um Hilfe bitten, um die den damaligen Hörern des Wortes wahrscheinlich eher bewusste Offenbarung hinter der Zahl zu verstehen. 153 ist die Summe aus 144 und 9. 144 ist 12×12. 12 Stämme Israels – 12 Apostel. 144 ist somit die Zahl der Vollkommenheit des neuen Volkes Israel. 9 ist nach dem Apostel Paulus im Galater und Korintherbrief die Zahl der Gaben des Hl. Geistes. Die Zahl 9 ist im Übrigen auch die Quersumme aus 153. 9 x 17 ergibt 153. 17 ist die biblische Zahl der Vollendung. 17 x nennt die Bibel den HERRN als den Gott Jakobs, 17 Jahre lebte Joseph bei seinem Vater und 17 Jahre lebten er und Jakob gemeinsam in Ägypten, und im Römerbrief zählt Paulus 17 Dinge auf, die uns nicht von Gott trennen können. Es gibt noch weitere Rechenspiele um diese Zahl, die ich jetzt nicht alle ausführe. Aber soviel sagt die Zahl 153 zumindest aus: wenn das Volk Gottes auf den heiligen Geist Gottes vertraut, sich von ihm inspirieren und leiten lässt, dann werden die Menschenfischer gemeinsam viele Suchende und in den Untiefen des Lebens zu scheitern Drohende an das rettende Ufer des Auferstehungsglaubens sammeln. Und hinter der Zahl 153 verbirgt sich auch die Überzeugung, das erst mit der Missionsarbeit, das Volk Israel zur Vollendung geführt wird.
Bemerkenswert ist übrigens, dass die Jünger gemeinsam das Netz nicht einholen konnten trotz Auftrieb durch das Wasser. Aber Petrus dann dies an Land alleine vermochte. Dies mag ein Hinweis sein, auf die Bedeutung des Petrusamtes in der apostolischen Zeit der Kirche.
Zu den vielen Aspekten, die in dieser Geschichte nicht zwingend logisch erscheinen, weil es eben darum auch nicht geht, kommt dann das Ende, welches aber eigentlich der Ursprung dieser Auferstehungsgeschichte ist.
Die Jünger bzw. Petrus bringen den Fisch an Land, aber eigentlich hätten sie sich um gar nichts bemühen müssen. Es brennt schon ein Feuer, darauf Brot und Fisch.
Liebe Gemeinde,
was die Erzählung berichtet ist im Grunde das Erleben, welches wir auch gleich begehen, nämlich die Feier des Hl. Abendmahles. Du musst nichts mitbringen außer deine eigene Leere. Zeige ihm dein leeres Lebensnetz und vertraue auf Gottes Wort so kann es voll werden. Aber er ist es, der dich einlädt, der schon längst alles vorbereitet hat, komm zur Ruhe und nimm seine Nähe in dich auf. Die Jüngergemeinschaft erfährt seit dem Ostermorgen die Nähe Jesu wenn sie Brot und Wein teilen. Es ist wie wenn das Boot, in dem wir sitzen, uns an das andere Ufer landet und Gott selbst uns erwartet. Dies ist Abendmahl, dies ist ein Leben in Auferstehungsvertrauender Existenz. Und ohne zu fragen erspürt ein jeder in seiner Herzensmitte:
In dieser Begegnung am anderen Ufer begegne ich der eigenen Lebensvollendung
AMEN
Nochmals danke ich Ihnen und allen Menschen, die an diesem wundervollen Gottesdienst am 1. Sonntag nach Ostern mitgewirkt haben. Ich habe mich aufgehoben gefühlt. Die Katholikin