Predigt zum dritten Sonntag nach Epiphanias

Ohne die Episode, die wir gerade aus der Apostelgeschichte gehört haben, säßen wir wahrscheinlich alle gar nicht hier. Die Überlieferungen des Jesus von Nazareth wäre eine jüdische Tradition geblieben und hätte das 2. Jahrhundert wohl nicht überdauert.
Während aber Petrus nachsann über die Erscheinung, sprach der Geist zu ihm: Siehe, drei Männer suchen dich; so steh auf, steig hinab und geh mit ihnen und zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt. Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin’s, den ihr sucht; aus welchem Grund seid ihr hier? Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat einen Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast. Da rief er sie herein und beherbergte sie. Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm. Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen. Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an. Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, auch ich bin ein Mensch. Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren. Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll. Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen. Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Hause. Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott. So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer. Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist. Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm. Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alles.

Wir als Nichtjuden hätten ohne die Entscheidung des Petrus wahrscheinlich nie etwas von der Botschaft des Nazareners gehört. Petrus hat hierfür eine Grenze überschritten. Er war sich nicht ganz sicher und nimmt vorsichtshalber ein paar fromme Männer mit als zeugen. Er weiß, dass er sich vor dem Bruder Jesu selbst, dem Gemeindeleiter in Jerusalem, rechtfertigen muss für sein Handeln.

Sie werden vielleicht denken, wo ist das Problem? Jesus überschritt doch auch Grenzen. Stimmt, er überschritt Grenzen des frommen Anstandes. Er speiste mit Zöllnern und ließ sich von einer Prostituierten für ein Vermögen die Füße salben. Jesus überschritt aber nie Grenzen des jüdischen Gesetzes. „ Ich bin nicht gekommen einen Buchstaben des Gesetzes aufzuheben, sondern es zu erfüllen.“ Und „Ich bin gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ und nicht zu Heiden und Götzenanbetern. Wie wir im Evangelium gehört haben: Jesus trifft den Hauptmann von Kafarnaum auf der Straße. Er hat nicht sein Haus betreten. Damit hätte er sich unrein gemacht.
Was wäre aus der Jesusbewegung geworden ohne die Grenzüberschreitung des Petrus? Jesus wanderte mit seinen Anhängern in einem Dreieck zwischen Kafarnaum – Magdala -und Chorazim, ein überschaubarer Landstrich am See Genesareth. Aus der Bewegung der Wandercharismatiker wurde durch das Wagnis des Petrus die Bewegung Jesu zu einer Hauskirche. 300 Jahre später wurde aus der Hauskirche eine Staatskirche. Die Botschaft Jesu wurde in anderen Formen lebendig gehalten.

Wann hast DU das letzte Mal dich in Gefahr begeben, so dass dein Leben anschließend anders verlaufen ist?

Wann hast DU das letzte Mal, etwas zu ersten Mal getan?

Bist DU dir sicher, schon die zu sein, die du sein möchtest?

Ohne die Grenzüberschreitung des Petrus, hätte die Botschaft Jesu nicht in unsere Welt und Wirklichkeit gefunden.

Welche Grenze musst DU überschreiten, damit du in dein Leben findest?

Liebe Gemeinde, manchmal braucht es radikale Gedankenwechsel, Systemwechsel, Grenzverschiebungen. Nehmen wir die Klimadebatte. Warum erregen sich so viele Besserwisser über Greta Thunberg? Weil sie Radikalität einfordert. Weil es zu spät ist, irgendwie mit unserem Konsum zu dessen Befriedigung kontinentale Wege zurücklegt werden, weiter zu machen. Weil ein bisschen Kohle und Klimaschutz packen wir drauf nicht mehr reicht. Weil ein wenig Elektromobilität uns nicht retten wird.
Oder reden wir über Kirche. Wir stellen Mitgliederschwund und Pastorenmangel fest – seit vielen Jahren. Was hat sich konzeptionell verändert?

Wie denken wir Kirche? Dogmatisch ist es klar: Christ ist, wer getauft ist. Um Kirche zu sein, muss ich aber Mitglied sein und zwar durch Abgabenleistung. Wer das nicht bereit ist zu zahlen, darf nicht am Leben der Kirche teilnehmen, theoretisch. Wenn Petrus so gedacht hätte – wer sich nicht an die 613 Gebote hält und nicht beschnitten ist, darf nicht von mir besucht werden, die Botschaft Jesu hätte uns nie erreicht. Menschen leben heute in einer mobilen Gesellschaft. Sie wechseln oft ihre Lebensschwerpunkte und haben daher natürlicherweise auch eine geringere Identifikation mit einer Ortsgemeinde. Ehepartner leben an verschiedenen Orten, sehen sich am Wochenende und wir feiern Sonntag um 10.00 Gottesdienst und wundern uns…
Wir müssen Kirche lerne neu und anders zu denken, sonst wird sie nicht überleben und dabei brauchen wir keine Konzepte, die den Mangel verwalten und neu organisieren. Ich sehne mich nach ganz anderen, radikalen Grenzüberschreitungen dessen, wie kirchliches leben aussehen kann.
Ich saß gestern noch im Zug von Hamburg nach Berlin. Allein in meinem Umfeld waren zwei Väter mit ihren Söhnen. Sie holten sie von ihren Müttern ab, um mit ihnen in des väterlichen Lebensortes das Wochenende zu verbringen. Der Zug war gefüllt mit Angehörigen der Bundeswehr, ebenso wie Partytouristen. Und ich dachte bei mir: Jesus würde sich in den Zug setzten und auf dem weg mit diesen Menschen ins Gespräch kommen. Wir brauchen Pastoren in den Zügen der Bundesbahn. Wir brauchen Glaubensboten, die genauso unterwegs sind, wie die meisten Menschen.

Wann hast DU das letzte Mal etwas zum ersten Mal getan?

Welchen Mustern der Einschränkung vertraust DU und welche mutigen Farbexplosionen ungeachter Möglichkeiten verbietest Du dir selber und damit auch anderen?

Meine Lieben, die Überlebensgeschichte von Schöpfung und Kultur, Gesellschaft und Kirche und der natürlich der eigenen unendlich wahren Seelenexistenz geht eben nur so: das, was verboten scheint
Systemisch
zu denken, zu leben und in Szene zu setzen.
Ohne systemische Umbrüche stirbt das Leben. Ohne Grenzüberschreitungen, ohne radikale Wagnisse verbleiben wir in Lähmung und Erstarrung, wie der Knecht des Hautmannes. Vielleicht wollen wir das? Das bedarf einer klaren Absprache. Wollen wir aber für das Heil der Welt leben, glaube ich, müssen wir neue Wege gehen,
mutig und im Vertrauen auf Gottes Segen

AMEN

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