Predigt zum 2. Sonntag nach Trinitatis

„Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! 
Warum zählt ihr Geld für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben.“

Liebe Gemeinde,

diese Worte des Propheten Jesaja verlocken dazu, eine Predigt zu halten über das bedingungslose Grundeinkommen.Ich könnte nachdenken über die Befreiung des Menschen von seinem Produktivsein Müssen und darüber was in einem christlichen Menschenbild den Menschen eigentlich zu einem Menschen macht. Soviel: auf jeden Fall nicht seine Arbeitskraft.

Ich könnte zu Ihnen sprechen darüber, wie wertvoll es wäre Arbeit und Einkommen von ihrer feudalistischen Zweckgebundenheit zu trennen und worin der gesellschaftliche Wert läge, nur noch Einnahmequellen und den Konsum zu besteuern. Ich könnte hierfür den Gründer der Drogeriemarktkette DM zitieren, der ein großer Verfechter dieser Idee ist und sicher den einen oder anderen von Ihnen mit diesen Ideen verblüffen bis zornig erregen.

Ich habe beschlossen, das heute morgen nicht zu tun. Wenn ich bzw. der Prophet Jesaja Sie neugierig gemacht haben, dann verweise ich auf Bücher zu diesem spannenden Thema- es lohnt sich.

Ein anderes Wort des Prophetentextes möchte ich Euch und Ihnen noch etwas näher bringen: „Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen“ 

Gott schließt mit uns einen Bund. Nicht auf Probe oder für eine bestimmte Zeit, einen Bund für ewig, 

nicht beliebig kündbar 

oder zu anderen Konditionen als denen des Anfangs.

Gott ist da, aber für nur noch 30%, so die Ergebnisse einer aktuellen Studie zufolge,  hat der Glaube an Gott eine Relevanz. Gott spielt keine Rolle mehr. Wohlgemerkt gar nicht mehr Kirche ist gemeint; die Möglichkeit, dass es mehr gibt als die narzistische Kurzsichtigkeit unserer Wohlstandsgesellschaft, 

eine transzendente Wirklichkeit, die etwas mit meiner eigenen kreativen individuellen Persönlichkeit zu tun hat, 

diese Ahnung der Großartigkeit, die jeden von uns ausmacht,

verschwindet im Nebel gelangweilten übersättigten Vergessens.

Um es deutlich zu sagen: die Frage des Versagens der Deutschen Bahn im Sylt Verkehr gilt als relevant, unsere Autoüberflutung evtl auch und dazu hat auch jeder eine Meinung. Gott schließt mit uns einen Bund….sorry, wen interessiert das denn?

Die meisten haben sogar selbst zu dem Bund mit Gott Ja gesagt in Konfirmation und Firmung. Naja…Socken werden auch nicht mehr gestopft wenn sie Löcher haben, sondern weggeschmissen. 

Wie sieht es mit Ihnen aus?

Wie gewinnt der Bund, den sie mit Gott leben Gestalt?

Worin wird das konkret?

Wie antworte ich auf das allmichumgebende liebende Umwerben Gottes?

Wenn ich aufmerksam wäre- er erinnert mich ständig an unser gemeinsam gesprochenes JA Wort.

Wehe, ihr vergesst mal euren Hochzeitstag,

aber wer weiß denn noch wann er getauft oder konfirmiert wurde.

Ok. abgehakt – es reicht wenn wir uns in innerer Wachsamkeit unserer Liebesbeziehung – nicht Pflichterfüllung, sondern Liebesbeziehung zu Gott bewußt seien. 

So das ist jetzt der Punkt, wo der ein oder andere beschließen könnte, der Predigt nicht weiter zu zuhören. Wovon redet der da gerade? Liebesbeziehung zu Gott, das ist ja allenthalben was für Profis, Pastoren Mönche, Nonnen oder so. Und damit fängt es an- der Relevanzverlust. Wo ich Spiritualität an eine Gruppe vermeintlicher Profis delegiere von denen ich ab und zu einen erbaulichen Impuls für das Wochenende erwarte, verliert Religion seine Relevanz im Alltag und verschwindet irgendwann gänzlich. Erleben eure Kinder und Enkelkinder euch noch beten? Gibt es noch Tischgebete oder Kinderbibeln aus denen vorgelesen wird? Sprecht ihr miteinander über Tod und Auferstehen? Werden sie heute den Gästen, die sie treffen etwas über den Gottesdienst erzählen?

Das ist aber auch anspruchsvoll- den Bund mit Gott leben. Wir tun doch schon mehr als alle anderen. Wir gehen zum Gottesdienst und engagieren uns hier und da ehrenamtlich, was sollen wir denn noch.

Der Prophet Jesaja sagt: leben

Also leben tun wir und zwar besser denn je.

Stimmt wir verwenden viel Energie darauf gut zu leben und trotzdem leben wir oft am Leben vorbei.

Höret, so werdet ihr leben!

Wenn ich mit Leuten ins Gespräch komme, warum Glaube in ihrem Leben keine Relevanz mehr hat, dann sagen die meisten Stimmen, Religion bringe ihnen nichts, sie spüren auch nichts und ob sie etwas vermissen, wisse man nicht.

Vielleicht liegt es daran, dass wir verlernt haben zu hören. 

Neigt eure Ohren, so Jesaja, und höret. Keine Generation ever ist einer solchen Geräuschkulisse ausgesetzt wie unsere. Umso wichtiger ist es, das Hören wieder zu stärken. Das Hören auf das was Gott sagt, das Hören darauf was uns leben lässt und das ist kein Hören der Ohren, sondern der Achtsamkeit. Der Relevanzverlust des Religiösen ist ein Verlust des Hörens, der Achtsamkeit. Wir achten darauf, dass es uns physisch gut geht, verlieren dabei aber unsere Seele.

Übrigens, der Relevanzverlust der Kirche hat auch etwas damit zu tun. Auch Kirche hat verlernt zu hören. Wir sind in einem ständigen diskursiven Prozess mit der Gesellschaft, wir bedrucken wöchentlich tonnenweise Papier mit neuen herausragenden pastoralen Konzepten, wir diskutieren tagelang auf Kirchentagen, aber hören wir eigentlich einfach nur mal zu?

Ich bin neulich einem engagierten Familienvater der Generation ü 70 begegnet. Er erzählte, dass er ja seinen Kindern, die nichts mehr mit dem Glauben am Hut hätten zuhören würde, aber er versteht gar nicht, dass sie sich seinen Argumenten völlig verschließen würden. Und ich antwortete ihm, er solle doch auch einfach nur zuhören, nirgends steht etwas davon zu hören, und danach aber allen tüchtig Zunder zu geben.

Liebe Gemeinde, es geht um eine Haltung.

Um den Bund mit Gott zu leben empfiehlt uns die Bibel die Haltung des Hörens und zwar vorbehaltlosen Hörens. Natürlich soll daraus auch aktives Tun erwachsen, aber zunächst hat Glaube eine zutiefst kontemplative Dimension. Der Prophet Elija hört Gott im verschwebenden Schweigen, Maria hört den Gruß des Engels und Jesus erspürt in den 40 Tagen in der Wüste seine Einheit mit Gott und den Menschen am Jordan war es, als hörten sie eine Stimme vom Himmel, siehe du bist mein geliebter Sohn.

Hören ist Offenheit.

Hören heißt nicht, sich im Hören schon auf das Argumentieren vorzubereiten.

Wieviel Relevanz der Glaube in Zukunft haben wird, entscheidet nicht der Glanz meiner Argumentationsleistung, sondern mein Vermögen zu hören. Mein Vermögen dadurch nämlich einen Raum von Freiheit zu lassen, der, weil er eben das Grundprinzip Gottes ist, überzeugender ist als alle meine Worte zusammen. 

Ich träume von einer Kirche und einer Gemeinde, die weniger ihrem Handeln, als wieder mehr ihrem Hören vertraut.

Ich träume von Glaubenden, die es wieder vermögen, Gottes Stimme in sich zu hören so unendlich nah, wie das Rauschen des Meeres wenn sie eine Muschel an ihr Ohr halten und ich freue mich auf jedes Erwachen das daraus erwächst. Ich wünsche mir für mich, dass ich es besser vermag auf das zu hören, was Gott zu mir spricht und dass ich mein Ohr an Ihnen seiner Gemeinde habe.

„Neigt  eure Ohren, höret so werdet ihr leben“ 

Ich

Du

Wir

die Kirche

AMEN

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