wie kommt der Esel an die Krippe?
Vor der Landnahme durch das Volk Israel zogen die Hebräer, so berichtet die Bibel, östlich des Jordan durch das Königreich Moab. König Balak in Kenntnis der Niederlage seiner Nachbarn der Amoriter im Widerstand gegen das Land Suchende Volk, beauftragt seinen Seher Bileam das Volk Israel zu verfluchen.
Nach anfänglichem Zögern macht sich Bileam auf den Weg und dann setzt die Geschichte ein, die sich liest, wie ein Märchen der Gebrüder Grimm. Bileams Esel beginnt zu sprechen.
Bileam, der wahrscheinlich ein Seher des Baals Kultes war, verstand noch nicht die Sprache und das Erscheinen des Gottes „ich bin der ich bin da“. Er nahm nicht wahr im doppelten Sinn des Wortes, was oder wer seinen Weg versperrte. So tut er das, was man vermeintlich meint mit einem störrischen Esel tun zu müssen – er schlägt ihn. Der Esel fragt: „warum schlägst du mich? Siehst du nicht, was ich sehe“? Da erst nahm Bileam den Engel des Herrn mit seinem gezückten Schwert wahr. Da erst hörte er Gottes Wort, sein Volk nicht zu verfluchen, sondern zu segnen. Ein Esel wird zu einer schicksalhaften Gestalt für den Einzug Israels ins gelobte Land. Ein Esel ermöglicht den Segen der kommenden Heimstätte und ist Lasttier des Segensbringers.
Liebe Gemeinde, der Prophet Sacharja kannte natürlich die Erzählung von Bileams Esel und verkündet dem aus dem Babylonischen Exil heimgekehrten Volk Israel, vielleicht daran anknüpfend, die kommende Ankunft des Friedensfürsten auf einem Esel reitend. Auch für die zweite Landnahme wird der Esel zum Heilsbringer.
Die Evangelisten des 2. Testamentes greifen dieses Motiv wieder auf.
Jesus nimmt besitzt vom Heilssort Jerusalem einreitend auf einer Eselin. Das Land, das keine Grenzen kennt, der Raum der Ewigkeit erwirkt durch Tod und Auferstehung, wird betreten auf dem Rücken eines Esels.
Das klingt zunächst einmal komisch und witzig. Sehr richtig. Gott ist mit unseren Maßstäben ja nicht zu fassen. Der „ich bin, der ich da bin“ verrückt jene vielmehr gerne. Sein Spiel folgt nicht den Regeln der Welt. Gottes Regeln sind gewaltfrei, sind anarchisch kreativ, sind die sinnfreien Maßstäbe der Welt demaskierend und lächerlich machend durch Jesu besondere messianische Narretei. Und selbstverständlich gehört für den größten Narr Gottes, den Heiligen Franziskus, den Erfinder der Weihnachtskrippe, in seiner Darstellung in den Grotten von Grecchio in Umbrien ein Esel in den Stall. Auch schon die Ankunft des Gotteskindes in des Menschen Zeit und Wirklichkeit musste nach seiner Auffassung von einem Esel begleitet sein.
Und natürlich fällt mir in diesem Zusammenhang das Wort des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth ein: „das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zu Schande zu machen. Und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zu Schanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und Verachtete hat Gott erwählt: das was nichts ist, um das was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott.
Liebe Schwestern und Brüder,
die Bibel bedient sich eines Tieres als Metapher für das göttliche Heilsgeschehen – soweit so ok. In der Literatur ist das bis heute ein gebräuchliches Stilmittel: in den Mythen der Welt oder Fantasyromanen der Moderne sind es Löwen, Stiere oder Drachen. Judentum und Christentum hingegen lassen den Esel sprechen. Die Waffen unseres Gottes sind nicht Stolz, Selbstdarstellung und Abschreckung, sondern die Macht der Ohnmacht.
Strukturen der Angst in unserer Welt lehrt Jesus Christus zu überwinden durch die selbstreflektierte Annahme der ärmlichen menschlichen Existenz angesichts der Unendlichkeit des Urbewegenden Allherrschers – unseres HERRN. Was des Menschen tragender, in Ewigkeit vollendender Grund ist, ist einzig seine Bezogenheit auf Gott hin. Alles weltlich endliche, alles aus vermeintlich eigener Leistung mich selbst Ermächtigendes, ist Nichts im Gegensatz zum Ungeschaffenen – der göttlichen Existenz.
Mensch, so schreit uns förmlich der Esel Bileams zu, wisse dich in deiner Abhängigkeit Gottes. Deine Lebensvollendung ist angewiesen auf seine Barmherzigkeit. Erlösung geht einzig von Gott aus. Und um die Lebensfülle zu besitzen, mein Angewiesensein auf Gott als Lebenshaltung einzunehmen, muss ich befreit sein, von Dingen und Einstellungen, die des Menschen Ausrichtung auf Irdisches fokussieren. Die christliche Mystik spricht vom innerlich leer werden, damit Gott den Menschen ausfüllt. Armut als soziales Maß ist selbstverständlich ein zu Überwindendes. Aber Armut als Lebensverständnis Gott gegenüber ist nach biblischer Auffassung heilsnotwendig.
Im Eigentlichen hast du nur was vom Leben, wenn du nichts mehr hast.
Gott kommt in Menschengestalt in Armut, um des Menschen Armut durch den Reichtum göttlichen Lebens zu erlösen und reich zu machen. Gedenke Mensch, dass du im Eigentlichen ein Armer bist. Nur dann kann göttliches Leben dich ausfüllen.
Meine Lieben,
mich arm machen vor Gott und mich bedürftig wissen allein von ihm, führt nicht nur mich zu Verwandlung göttlichen Lebens. Es ist das Friedenskonzept Jesu in Vorbereitung des Kommens des Reiches Gottes in unserer realen Welt.
Adventszeit ist die Zeit, sich auf diese Ankunft Gottes vorzubereiten.
Wie lebenswert könnte eine Welt sein, in der nicht jeder der Größte sein will, sondern im sich gering Machen, Einheit der gemeinsamen Größe entsteht?
Wie lebenswert könnte eine Welt sein, in der die Mächtigen auf die Stimmen der Esel hören?
Wie lebenswert könnte eine Welt sein, in der jeder von uns Lasttier des Göttlichen wird, anstatt die Lasten von Konsum und Wertsteigerung zu tragen?
Der Esel an der Krippe macht mir Mut, mich nicht größer machen zu müssen, als ich bin und mich arm zu machen für den Reichtum Gottes. Ich trage auch viel zu viel mit mir rum an Besitz, an Verantwortung, an Selbstdarstellung. In der Torheit und Einfachheit des Esels steckt vielmehr Größe und Weisheit wie in allen Äusserungen der Macht.
Oh menschwerdender HERR
Lass mich Dein Esel sein
AMEN